Das ist es also – Fallout 76, frisch aus dem Hause Bethesda. Ein weiteres, episches Kapitel aus dem Ödland? Eher nicht. Mehr ein Experiment, denn statt einem umfassenden Singleplayergame erwartet uns ein komplett auf den Multiplayer ausgelegtes Spiel. In den letzten Wochen wurde viel darüber diskutiert. Hat die Idee was? Ja. Ist das Spiel also gut geworden? Nein. Warum? Das lest ihr bei uns!
Sweet Home Alabama Nein, halt, stop. Es war das andere Lied... Achja, Country Roads. Na, fast. Fallout 76 spielt in West Virgina, einer der Bundesstaaten der ehemaligen Vereinigten Staaten von Amerika. Warum ehemalige Staaten? Weil es ein Fallout-Spiel ist. Vor einigen Jahren kam es zum Atomkrieg und die einst so stolzen US of A wurden ziemlich umfassend von der Weltkarte gesprengt. Die ganze Menschheit ist ausgelöscht! Die ganze Menschheit? Mitnichten! Ein paar unbeugsame Amerikaner haben in Vault genannten Bunkern die menschgemachte Apokalypse überlebt. Zufälligerweise gehören auch wir zu dieser ausgesuchten Gruppe an Glücklichen. Mehr noch: Unser Bunker, Vault 76, ist der erste, der sich nach dem Ende des Krieges wieder öffnet. Uns erwartet ein postapokalyptisches Ödland. Ausgelöschte Städte, verdrehte Pflanzen und grässlich mutierte Tiere und Menschen. Absolutes Chaos! Aber zum Glück sind wir ja da, um... Um... Ja, wofür eigentlich? Klar, es geht darum, die Zivilisation wieder aufzubauen. Aber wie genau tun wir das? Wir verfolgen erstmal die Hauptstory, auch wenn die im Grunde nur daraus besteht, unserer ehemaligen Vault-Aufseherin nachzueifern. Dabei erkunden wir eben ganz nebenbei weite Teile des Ödlands. Mit all seinem aufregenden Gameplay, nicht? Falsch.
Just do it (again) Spieler von Fallout 4, des letzten Spiels der Reihe, werden sehr viele Gameplay-Mechaniken wiedererkennen. Zum Beispiel sammeln wir noch immer allen Schrott ein, um daraus Komponenten für das Crafting zu gewinnen. Auch das Kämpfen, egal ob mit Schusswaffen, Knüppeln oder in einer dicken Powerrüstung, fühlt sich recht ähnlich an. Wir erlegen Monster, erkunden die Welt und sammeln somit Erfahrungspunkte, die wir nach LevelUps in verschiedene Werte stecken dürfen. Hier wurde zum ersten Mal etwas groß verändert! Stecken wir Punkte in verschiedene Kategorien, wie Stärke oder Geschicklichkeit, haben wir mehr Platz um Skillkarten in dieser Kategorie zu benutzen. So kassieren wir passive Boni, passend für die jeweilige Kategorie. Da wir eben schon das Crafting erwähnt haben: Jup, wir dürfen wieder fleißig an Werkbänken arbeiten, eigene Waffen kreieren oder bestehende reparieren und modifizieren. Bauherren des Ödlands dürfen ab jetzt ebenfalls aufhorchen, denn unsere Materialien stecken wir nicht nur in neue Schießeisen.
Bethesda hat uns erneut einen Baumodus spendiert, mit wem wir unser eigenes kleines Reich aufbauen dürfen. Das ist dieses Mal tragbar. Uns steht jedoch nur eine recht überschaubare Kuppel zur Verfügung, in der dürfen wir aber schalten und walten wie wir wollen. Eigene Craftingstations, Truhen und Geschütztürme, um unsere Wahlheimat gegen die Fauna zu verteidigen. Klingt ganz nett, aber (es gibt immer ein aber) fühlt sich in der Praxis wesentlich hohler an: Großartige Bauten können wir auf dem begrenzten Platz eh nicht bauen. Schlimmer noch, müssen wir mal umziehen, was praktisch bei jedem neuen Login passiert, müssen wir erstmal alles wieder aufbauen. Zum Glück hat Bethesda einen Bug gelöst, der verhindert hat, dass sich das Spiel unsere Bauten merkt. Jetzt müssen wir eben nurnoch einen neuen passenden Standort finden. Gar nicht so einfach. Denn der Baumodus strotzt noch immer vor Macken, Bugs und nicht nachzuvollziehenden Kollisionsproblemen. Von frei in der Luft schwebenden Ästen, die uns während des Tests beim Bau des zweiten Stocks im Weg waren, ganz zu schweigen. Ist Fallout 76 also einfach ein Fallout 4 mit mehr Bugs und leichten Veränderungen? Nicht doch, schließlich gibt es da ja noch...
Noch eine Beta?
… die lieben Nachbarn. Ja, wir haben es eingangs erwähnt – Fallout 76 ist ein Multiplayertitel. Die Wochen vor dem Release und während den Betaphasen waren gefüllt mit hitzigen Diskussionen, ob das etwas sei, was Fallout braucht. Vor allem, da Bethesda eine interessante Strategie verfolgt. Es gibt im Grunde keine menschlichen NPCs, nur Roboter und andere Spieler. Wo kriegen wir Quests her? Ganz einfach, aus unserer Umgebung. Wir finden ein Schriftstück, entdecken einen Ort oder empfangen eine Sendefrequenz, schwupps, schon haben wir eine Quest. Das Problem liegt nur eben darin, dass verdammt viele Quests darauf hinauslaufen, dass wir eine bestimmte Person finden sollen. Spoiler, die Person ist tot. Lange schon. Nach der dritten Quest, die uns in ihrem Verlauf vorgaukeln will, dass da vielleicht doch noch wer lebt, empfinden wir keine Enttäuschung mehr, nur noch Leere. Ein Witz, der beim zweiten Mal nicht mehr lustig war, wird fortgeführt. Was haben wir also statt NPCs? Spieler.
Zuallererst fällt uns auf: Eigentlich brauchen wir die gar nicht. Yay, Singeplayer-Fallout gerettet? Naja. Wir brauchen sie deshalb nicht, weil die meisten Gegner lächerlich einfach sind. Benötigen wir mal mehr als zwei Schuss, ist das meist schon etwas besonderes. Andere, stärkere Gegner haben zum Teil so langsame Angriffsanimationen, dass wir sie durch simples Rückwärtslaufen auskontern. Aber dann gibt es da ja noch die Events. Das sind Ereignisse, die für mehrere Spieler gedacht sind. Mal geht es darum, ein großes Monster zu besiegen, mal viele Gegner auszuschalten. Da ist ein anderer Spieler nützlich, aber, immer noch, eigentlich nicht wirklich nötig. Mit genügend Munition machen wir das schon selbst, keine Sorge! Eigentlich hätte sich die Interaktion mit anderen Spielern in unserem Test auch auf das Austauschen von zwei, drei Emotes beschränken können. Gäbe es da nicht den Voicechat, der uns immer wieder daran erinnert, dass da draußen... andere sind. Von wütenden russischen über eindeutig minderjährige deutsche Spieler, wir haben einiges aus den Leben unserer Mitspieler gehört. Textchat für den PC? Fehlanzeige, ebenso wie Push-to-talk. Wie, Bethesda, wie?! Auch eine Aura des gefährlichen PvPs bleibt aus. Damit man einen anderen Spieler sinnvoll erledigen kann, schießt man auf ihn. Wenn er das erwidert, sind wir im PvP-Modus. Wenn ein Spieler also nicht überfallen werden will, wird er es einfach nicht. Wir testen auf dem PC, allerdings darf man sich darauf gefasst machen, dass das gesamte Spiel eigentlich auf die Steuerung mit dem Controler ausgelegt ist. Um es mit den Worten unseres Chefredakteurs Christoph zu sagen: „Wer bitte legt denn 'Zurück' auf Tab?“
Aber das Writing! Wir verbinden Bethesda ja eigentlich mit gutem Writing. Bis zu einem gewissen Grad ist das hier auch so! Wir finden unglaublich viele Schriftstücke und Audioaufzeichnungen und können den Kampf der Generation vor uns, also denjenigen, die den unmittelbaren Krieg außerhalb der Bunker überlebt haben, gut nachverfolgen. In deutscher Synchronisation! Da Dokumente auch oft genug Questaufhänger sind, dürfen wir ja auch gutes Writing erwarten. Aber darüber hinaus? Die Hauptquests fühlt sich meistens recht inhaltslos an, viele Nebenquests degradieren uns zu simplen Laufburschen. Nett ist dafür der Survivalaspekt. Wir brauchen eben Nahrung und Wasser, sind immer auf der Suche nach Mahlzeiten, die uns nicht weiter radioaktiv verstrahlen. So wird zumindest ein wenig dafür gesorgt, dass sich unsere wilde Materialiensuche in den Ruinen der Welt nicht ganz so planlos anfühlt. Alles aber sehr bodenständig und einfach gehalten. Von hier an geht es dann leider bergab. Uns fehlt das Feeling früherer Spiele, den Drang zu entdecken und uns mit coolem Loot von besonderen Locations selbst zu belohnen! Wenn wir jetzt eine Wegmarke von zufällig generierten Gegnern befreit haben, kann es sein, dass diese schon wieder respawnen, bevor wir überhaupt die Kisten geplündert haben. Wir leben in einer Welt, die selbst auf den höchsten Grafikeinstellungen nicht schön ist. Einmal standen wir zwischen zwei Lightsettings. Links von uns Mittagssonne, rechts Abendrot – die Grenze wie mit dem Lineal gezogen auf unserer Waffenhand. Schwammige Texturen, gepaart mit Clippingfehlern, sind an der Tagesordnung. Und über all dieses zweidimensionale, billige Gras!
Dazu gesellen sich eine Menge Bugs. Wie gesagt, der Baumodus strotzt nur so vor denen, an denen Bethesda fleißig patcht (letztens erst 15GB). Aber auch in der einfach Spielwelt. Gegnermodelle, die zwar auf uns zukommen, aber keine Animationen nutzen. Undichte Stellen in Wänden, durch die plötzlich Feinde laufen. Im Endgame erwartet uns dann eine schlichte Itemspirale. Wir finden die Abschusscodes einer Atomrakete, zünden sie und kreieren so ein Gebiet mit hochleveligen Monstern und besserem Loot. Zugegeben, hier können andere Spieler nützlich sein. Aber wenn wir ehrlich sind, machen wir das gleiche wie im restlichen Spiel, nur mit mehr Strahlenbelastung. Was uns aber am Ende wirklich den Atem verschlagen hat, ist der Ingameshop. Viele Spiele haben den heutzutage, klar. Es geht ja auch nur um Cosmetics, nichts mit Werten! Und natürlich können wir über Achievements und Herausforderungen Währung für den Shop freischalten. Das kostet viel Mühe, erledigt sich aber praktisch nebenbei. Dennoch, eine Lackierung für die Powerrüstung kann im Shop mal gut 1800 Punkte kosten. Das sind umgerechnet 18€. Dafür können wir uns fast Fallout 4 kaufen!
Unser Testvideo zu Fallout 76
Fazit & Wertung
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Lars meint: Bethesda, das könnt ihr so viel besser!
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Als es hieß, Bethesda geht mit Fallout den steinigen Weg zum Multiplayer-Titel, waren wir vorsichtig, aber gespannt. Es hätte ja verdammt gut werden können. Nach reichlich Spielstunden wissen wir aber, dass es das nicht ist. An so vielen Fronten sehen wir Probleme! Selbst Bethesda gibt in den Patchnotes zu, dass ihre Engine einfach in die Jahre gekommen ist. Wir erleben so viele Bugs, so viele Rückschläge, so viele Momente, die sich einfach hohl und nichtssagend anfühlen. Haben wir bisher in der Fallout- oder TES-Reihe am Horizont einen coolen Ort gesehen, wollten wir unbedingt dahin! Wir wollten darum kämpfen und wir wollten uns selbst mit dem Loot belohnen! Diesen Besthesda-Moment gibt es hier nicht. Jeder Loot fühlt sich gleich an, unser Entdeckungsdrang wird mit jedem abgegrasten Ort mehr und mehr erstickt. Und irgendwann stoppen wir, mitten im Ödland, und fragen uns, warum wir eigentlich Fallout 76 spielen, wenn wir andere Bethesda-Spiele in unserer Bibliothek haben. Klar, die Entwickler patch und patch und haben auch schon Pläne für die Zukunft veröffentlicht. Und wer weiß, vielleicht wird das Spiel ja noch eine wirkliche Perle. Vermutlich, wenn sie endlich von Spielern erschaffene Mods zulassen, von denen Bethesda-Spiele in den letzten Jahren ja praktisch leben. Im Moment können wir Fallout 76 aber leider absolut nicht empfehlen.
Grafik
6
Sound
7
Bedienung
5
Spielspaß
6
Atmosphäre
7
Multiplayer
7
Preis/Umfang
6
Richtig gut
Survival-Basics
gutes Environment-Writing
Coop-Möglichkeit mit Freunden
Basenbau...?
Verbesserungswürdig
unhandlicher Basenbau mit vielen Macken
so viele Bugs!
Kein wirkliches Ziel
veraltete Engine
magere Grafik
schwaches Zusammenspiel mit anderen Spielern
kaum PC-Optimierung
Fehlendes Fallout-Feeling
Anforderungen
• Sony PlayStation 4 (Pro) Konsole • Microsoft Xbox One (X) Konsole
PC Minimum: • CPU: Intel Core i5-2500K at 3.3 GHz / AMD FX-8320 or equivalent • Memory: 8GB • OS: Windows 7/8/10 (64-bit OS required) • Graphics card: Nvidia GTX 960 / AMD R9 280 or equivalent • Storage: 30GB – 50GB install
Getestet für
PC
Lars Hack Konnte Lars zuerst laufen oder den Controller einer SNES bedienen? Die Frage ist bis heute nicht sicher geklärt. Klar ist, dass er sein Herz seit damals an Videospiele verloren hat.
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