The Last of Us Part 2 - Test/Review
Im Jahre 2013 hat uns Naughty Dog, die Entwickler von Uncharted und Crash Bandicoot, mit The Last of Us in eine postapokalyptische Welt geworfen. Das Spiel wurde von Kritikern und Community gleichermaßen gefeiert und gilt als eines der besten Spielen des Jahrzehnts. Sieben Jahre später dürfen wir die Geschichte um Elli und Joel endlich weiter spielen und werden erneut mit der Härte dieser neuen Welt konfrontiert.
Von Timm Woita am 08.07.2020 - 04:33 Uhr

Fakten

Plattformen

PlayStation 4 Pro

PlayStation 4

Publisher

Sony

Entwickler

Naughty Dog Software

Release

19.06 2020

Genre

Action-Adventure

Typ

Vollversion

Pegi

18

Webseite

Media (14)

Das letzte Highlight

Im Jahre 2013 hat uns Naughty Dog, die Entwickler von Uncharted und Crash Bandicoot, mit The Last of Us in eine postapokalyptische Welt geworfen. Das Spiel wurde von Kritikern und Community gleichermaßen gefeiert und gilt als eines der besten Spielen des Jahrzehnts. Sieben Jahre später dürfen wir die Geschichte um Elli und Joel endlich weiter spielen und werden erneut mit der Härte dieser neuen Welt konfrontiert.
Eine Spirale der Gewalt
Vorab: Ich werde hier NICHT über die Story reden, sondern nur kurz auf das Startgebiet und die Fraktionen im Spiel eingehen! The Last of Us 2 setzt ungefähr vier Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils an. Ellie wurde von Joel aus dem Krankenhaus der Fireflies gerettet und ihre Immunität gegen die Pilzart Cordyceps ist weiterhin für fast alle Beteiligten unbekannt. Das ungleiche Vater-Ziehtochter-Gespann hat sich in der neu aufgebauten Siedlung in Jackson niedergelassen und lebt ein eher ruhiges, bescheidenes Leben in einer von Tod und Hass geprägten Welt: Gemeinsam mit Tommy reiten sie Patrouille und gehen jagen. Dies ändert sich aber schlagartig als eine Gruppe anderer Überlebender in der Nähe von Jackson auftaucht und dieses friedliche Leben zerstört. Mit ihren Aktionen beschwören sie nämlich eine Spirale der Gewalt, welche sich die gesamte Story über wie ein roter Faden durch das Spiel zieht. Angetrieben von diesem Hass entscheidet sich Ellie dazu, die Gruppe zu jagen und zur Strecke zu bringen. Am Anfang nur mit Dina an ihrer Seite verschlägt es sie auf der Jagd in Richtung Seattle. Nach all den Jahren ohne menschlichen Einfluss auf die Natur bietet sich uns ein eher idyllisches Bild. Die Natur überwuchert ehemalige Brücken, Straßen und Gebäude und Bäume stehen neben kleinen Flüssen, welche durch Unterspülungen entstanden sind - alles wirkt ungemein ruhig und unberührt. Dies täuscht aber ganz massiv, denn es ist eher die Ruhe vor dem Sturm. Die Gebiete laden nämlich recht ordentlich zum Erkunden ein, um neue Materialien, Survival Guides oder sogar Waffen zu finden. Alles in allem wirkt das gesamte Spiel weniger linear als der Vorgänger. Aber da The Last of Us natürlich kein Walk’n’Loot-Simulator ist, treffen wir nach kurzer Zeit erneut auf allerlei Feinde. Das können die bekannten Clicker oder Runner sein, aber auch Mitglieder der neuen Fraktionen: Wolfs oder Scars. Die Wolfs sind eigentlich die WLF, was für Washington Liberation Front steht, und die Scars sind eine religiöse Glaubensgemeinschaft, die sich eigentlich Seraphiten nennen. Beide Gruppen haben ihre eigenen Beweggründe und stellen einen sehr starken Kontrast zueinander dar. Treffen wir auf eine der Gruppierungen, geht Naughty Dog einen Weg, den wir normalerweise aus TV-Serien wie The Walking Dead oder Game of Thrones kennen: Einen Weg bis an die absolute Schmerzgrenze.
Aber was meine ich mit Schmerzgrenze? Damit meine ich einige Momente im Spiel, welche mich fassungslos zurückgelassen haben. Momente, in denen ich kurz Pause machen musste, um das, was gerade passiert ist, erstmal zu verdauen. Ich zitiere hier nun mal Troy Baker (engl. Sprecher von Joel), welcher auf der Manchester Comic-Con 2019 sagte: “All I can tell you is that as much as you’re clamouring for it... you’re not ready.“

You’re not prepared… Eh… Ready
Und verdammte Scheiße, er hat sowas von recht gehabt. Ich war nicht bereit. Neben den Momenten in der Story, welche mich geschockt haben, waren aber auch die Kämpfe gegen menschlichen Gegner etwas, was mir regelmäßig einen kalten Schauer durch den gesamten Körper gejagt hat. Ich habe sehr viele Spiele in meiner Laufbahn gespielt, aber bei keinem war die Intensität und Brutalität so hoch wie in The Last of Us 2. Wenn eine Ellie nämlich tötet, passiert das unter maximaler Kraftanwendung. Sie ist angestrengt. Ihre Mimik zeigt, das es unter maximalem Adrenalinspiegel passiert und wenn sie dann ihr Messer in der Kehle eines Gegners platziert hat, kehrt Ruhe ein. Eine Ruhe, welche nur noch vom Gegner und seinem Röcheln übertönt wird, während er an seinem eigenen Blut erstickt. Schusswaffen hinterlassen sehr plastische Ein- und Austrittswunden, Schrotflinten sorgen für den Verlust von Körperteilen und so weiter. Hier hat sich Naughty Dog sehr mit der Materie auseinandergesetzt und auch nichts geschönt. Es ist die grausame, brutale Realität in einer Welt, in der von allem und jedem eine Gefahr ausgeht. Ist diese Brutalität aber absolut übertrieben? Will Naughty Dog ein Alleinstellungsmerkmal? Nein. Denn so brutal wie die Gefechte teilweise sind, so realistisch sind sie und genauso viel Unbehagen bereiten mir die Kämpfe. Dies liegt vor allem daran, das jeder NPC, den wir töten, von seinen Freunden mit Namen gerufen wird. Es ist nicht einfach nur NPC A oder B. Sondern wir haben gerade Jeremy oder Kim getötet. Außerdem zeigt uns Naugthy Dog, dass es nicht nur Gut oder Böse gibt. Schwarz oder Weiß. Alles verschwimmt in The Last of Us 2, weil jede Fraktion ihre eigenen Ansichten und Beweggründe hat, weil jede Fraktion meint, ihr Weg wäre der beste. Natürlich wurden mit Joel und Ellie bereits im ersten Teil zwei Charaktere vorgestellt, die in ihrem Grundwesen als “Gut” anzusiedeln wären, aber auch hier zeigte sich bereits, dass beide auch eine dunkle Seite haben. Nehmen wir Joels Selbstsüchtigkeit, als er Ellie gerettet und somit eine eventuelle Heilung für die Menschheit in den Wind geschlagen hat. Es gibt Grautöne in verschiedenen Stufen, die meinen “Team Ellie”-Gedanken sehr häufig zu “I hate her” gewandelt haben.
Aber The Last of Us 2 ist keine Spiel, das einen nur runterzieht. Es gibt auch schöne Momente, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr gut in Szene setzen und mir auch das ein oder andere Tränchen aus meinen doch sehr schwer zu reizenden Augen gedrückt haben. Und gerade in diesen Momenten merkt man Naughty Dog auch wieder an, dass sie es einfach drauf haben, ein starkes Storytelling zu schaffen. Untermalt von der Musik von Gustavo Santaolalla sind manche Momente einfach noch viel schöner oder dramatischer. Hut ab, Naughty Dog.
New meets Old
Wir haben zuvor ja bereits die Kämpfe angesprochen. Aber welche Möglichkeiten haben wir genau? Hier ist Naughty Dog beim altbekannten Crafting-System geblieben. Wir finden in der Spielwelt oder durch besiegte Gegner immer wieder Materialien, wie zum Beispiel Tücher, Alkohol, Scheren und so weiter, und können mit einem Klick auf die Start-Taste Verbandskästen, Sprengfallen und Pfeile herstellen. Hinzugekommen sind ein paar neue Gegenstände, wie Sprengpfeile oder Brandschussmunition. Die einzelnen Perks werden erneut über Survival Guides freigeschaltet, können dieses Mal aber nicht nach Belieben geskillt werden, sondern erfordern das vorherige Freischalten durch den davor kommenden Skill. Hier muss man sich dann doch schon eher Gedanken um die eigene Spielweise machen: Ist man eher Stealth-mäßig unterwegs, was gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden unumgänglich ist, ist es nützlich, seine Bewegungsgeschwindigkeit um 50% zu erhöhen, wenn man auf dem Bauch liegt. Und ja, mittlerweile kann man sich auch hinlegen und somit hohes Gras zu seinem Vorteil nutzen. Ellie hat inzwischen auch ENDLICH das Schwimmen gelernt und so gibt es manche Areale, die überflutet sind und es uns möglich machen, Gegner unter Wasser zu umgehen. Diese Spielmechaniken sind sinnvoll und erweitern das Spektrum an Möglichkeiten, um sich gegen die großen Gegnermengen zur Wehr zu setzen. Es gibt auch ein paar Abschnitte, in denen wir uns menschlicher Gegner entledigen können, indem wir die Clicker durch Geräusche anlocken. Das größte Plus in The Last of Us 2 ist aber die visuelle Umsetzung. Das Spiel sieht nämlich einfach nur bombastisch aus. Die Animationen sind erste Sahne und gepaart mit der akkuraten Mimik und Gestik wirkt alles einfach unglaublich realistisch - egal ob es Wut, Freude oder Sorgen sind, die sich auf Ellies Gesicht abzeichnen. Die Außenareale und Umgebungen sind glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass seit Jahrzehnten kaum noch Autos fahren und die Natur Zeit hatte, sich ihren natürlichen Platz zurückzuerobern. Selbst das Prasseln des Regens während eines Gewitters und die daraufhin durchnässte Kleidung ist ein Augenschmaus. Mir ist das erste Mal nach 19 Stunden (!!!) Spielzeit eine wirklich unschöne Textur an einer Tür aufgefallen. Außerdem hat Naughty Dog erneut einen HDR-Modus springen lassen, welcher bei richtigen Einstellungen die Atmosphäre noch einmal steigert und gerade in Gebieten mit Lichtstrahlen und dunklen Bereichen eine Pracht abliefert, die ihres gleichen sucht. So genial wie die Grafik ist, fordert sie die Playstation 4 (in meinem Fall eine Pro) bis an das Maximum. Das hört man dann auch, da die Playstation die Lüfter ziemlich hochdrehen lässt. Natürlich gibt es auch hier und da mal ein paar nachladende Texturen, aber das ist in meinen Augen absolut zu vernachlässigen, da die restliche Qualität auf einem so hohen Niveau liegt. Was das Ganze aber nochmals toppt ist die audiotechnische Seite. Die deutschen Sprecher liefern einen ganz starke Vorstellung ab. Es gibt hier und da mal ein paar Probleme mit der Abmischung, aber trotzdem ist die Vertonung durchgehend auf einem sehr hohen Niveau. Ein bisschen besser haben mir noch die englischen Sprecher gefallen und dank deutscher Untertitel ist es auch nicht schlimm, wenn man auf Englisch spielt. Aber gerade der Soundtrack und das Gitarrenspiel von Gustavo Santaolalla heben den Sound auf ein ganz anderes Niveau. The Last of Us 2 versteht es, einzelne Situationen und Momente mit der Musik noch schöner oder trauriger zu gestalten. Auch Ashley Johnson, welche Ellie verkörpert, kann nun endlich ihr Talent als Sängerin voll zur Geltung kommen lassen und das tut sie auch, wenn sie Stücke wie “Take on Me” von a-ha singt. Gänsehaut incoming.
Optionen und weitere Möglichkeiten
Was man Naughty Dog ebenfalls lassen muss, ist ihr Augenmerk auf Barrierefreiheit. In den Optionen ist es möglich, alles einzustellen, was das Herz begehrt. Neben der Auswahl für den Schwierigkeitsgrad kann man auch noch fünf weitere Anpassungen treffen. Man kann zum Beispiel die Hilfssymbole für Materialien ausschalten oder das Verhalten des KI-Partners ändern. Außerdem ist es möglich, die Häufigkeit von Ressourcen zu ändern. Mit diesen ganzen Optionen lässt sich das Spiel in gewissen Stufen schwieriger oder leichter gestalten. Spielt The Last of Us 2 mal ohne HUD. Da kommt Freude auf. Auch die Steuerung lässt sich frei konfigurieren, sich für Links- und Rechtshänder ändern und so weiter. Das Schönste nach Abschluss des Spiels ist das Archiv. Wir erhalten Punkte im Laufe der Geschichte für gefundene Sammelobjekte, Tagebucheinträge und ähnliches und können diese dann für Artworks, Charakterportraits oder Illustrationen ausgeben.
Kontroversen, Crunchtime, Hate
Nicht unerwähnt bleiben sollte im Zusammenhang mit The Last of Us 2 natürlich die Probleme und Kontroversen, die sich bereits vor dem Release aufgetan haben: Seien es die massiven Spoiler oder aber auch der Hass gegenüber der sexuellen Ausrichtung der Charaktere. Ich glaube, kaum ein Spiel hat im Vorfeld so hohe Wellen geschlagen und reißt jetzt momentan die Meinungen zwischen Redakteuren und Community so weit auseinander wie The Last of Us 2. Während der erste Teil noch von allen Seiten hochgelobt wurde, zeigt sich bei Teil 2 ein ganz anderes Bild. Der Metacritic Score bewegt sich Stand heute (04.07.2020) bei 5,1 aus der Community mit 112.064 Votes, während Redaktionen dem Spiel fast ausschließlich Bestnoten geben. Persönlich muss ich sagen, dass ich ein paar der Punkte, die angesprochen werden, nachvollziehen kann. Ich bin mit der Story auch nicht zu 100 % zufrieden. Aber jetzt eine Petition zu starten, die das komplette Umschreiben der Story verlangt, kann ich nicht verstehen. Der Umgang von Neil Druckmann im Umgang mit den Spoilern war auch nicht ganz korrekt. Aber diese Person jetzt so anzugehen, ist es genauso wenig. Ich finde aber, dass all der Hate, der Naughty Dog entgegen geschlagen ist, in großem Maße übertrieben oder unverständlich ist, denn sie sind an viele Themen mit viel Reife und einer gehörigen Portion Mut rangegangen.
The Last of Us 2 ist seit dem 19. Juni 2020 für PlayStation 4 ab 49,95 Euro im Handel erhältlich. Die deutsche Synchronfassung finden wir gelungen, alternative Sprachen können im Hauptmenü aktiviert werden. Es gibt keinerlei Mikrotransaktionen. Ein Multiplayer soll möglicherweise nachgeliefert werden.

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