Große Publisher reden noch immer davon, dass das Singleplayer-Genre ohne Lootboxen tot sei? „Hold my beer“, denkt sich Entwickler Obsidian Entertainment!
Zur See und zu Land Aus der spätmittelalterlichen Welt des Drywalds verschlägt es uns nun also in karibische Gefilde. Und das bringt uns auch direkt zum neuesten Feature! Wir sind nämlich nicht nur Wächter, sondern jetzt auch Kapitän unseres eigenen Schiffes! Zwischen den zahlreichen Häfen des Todesfeuer-Archipels steuern wir unser Schiff über die Wellen der Weltkarte, agieren mit anderen Schiffen, wehren Piraten und Sklavenjäger ab und erkunden nach Herzenslust Inseln. Geraten wir in einen Konflikt auf hoher See, wickelt Pillars of Eternity II die Begegnung nicht auf einer Schlachtfeld-Karte sondern rundenbasiert über ein Textevent ab. Hier regulieren wir die Entfernung zum Feind, positionieren unser Schiff richtig für den Kanonenbeschuss und geben unserer Mannschaft Befehle. So ein Schiff segelt sich schließlich nicht alleine.
Apropos Schiff: Das rüsten wir aus, wie einen Charakter in einem klassischen RPG. Von verschiedenen Segeln und Kanonen über den Namen bis hin zu den richtigen Einsatzstellen für unsere in Häfen angeworbenen Matrosen, alles liegt in unserer Hand. Außerdem müssen wir Vorräte managen, damit uns nicht mitten im Nirgendwo Nahrung und Kanonenkugeln ausgehen! Lassen wir das Meer einmal hinter uns und erkunden die Inseln des Archipels, macht Pillars of Eternity II da weiter, wo der erste Teil aufgehört hat. Zunächst erstellen wir unseren Charakter, wobei uns die gleichen Klassen wie im Vorgänger zur Verfügung stehen. Mit einer Gruppe von fünf Helden lösen wir dann Probleme für Reisende und Einheimische, streifen durch finstere Dungeons und erschlagen Monster an allen Ecken und Enden. Mit der Erfahrung, die wir dabei erhalten, erreichen wir höhere Charakterstufen, die Zugang zu neuen Fähigkeiten und Werteverbesserungen gewähren. Außerdem fällt immer mal wieder neue Ausrüstung für unsere Gruppe ab, damit der nächste Kampf noch eine Ecke leichter fällt.
Diese werden übrigens in Echtzeit abgehandelt, können aber jederzeit pausiert werden, um das weitere Vorgehen zu planen oder zu entscheiden, welcher Charakter welchen Skill anwendet. Wollen wir nicht alles selber steuern, legen wir für unsere Gefährten ein AI-Verhalten fest. Da sich nicht alles um den Kampf dreht, manövrieren wir auch durch andere Encounter. Dabei fallen oft Skillchecks an. Haben wir den erforderlichen Schwellenwert in einer bestimmten Disziplin erreicht, bestehen wir. Sind wir nicht gut genug, kann es immerhin noch Teilerfolge geben. Pillars of Eternity II greift also wieder deutlich das Feeling gängiger P&P-Systeme auf.
So viele Quests! Das Feeling wird in Pillars of Eternity II: Deadfire groß geschrieben. Unsere dreidimensionalen Charaktere laufen durch atemberaubende 2D-Kulissen. Egal ob im tiefsten Verlies oder einer geschäftigen Hafenstadt, hier wird uns optisch einiges geboten, auch ohne fotorealistische High-End-Grafik. Dazu kommt eine umfassende englische Vertonung mit vielen Sprechern, die ihren Charakter gut einfangen. Wer mit Englisch nicht viel anfangen kann, muss sich auf die deutschen Texte verlassen. Die haben zwar hier und da seltsame Schnitzer, zum Beispiel wenn mal ein Wort fehlt, aber machen dennoch einen guten Job uns am Geschehen teilhaben zu lassen.
Trotzdem übernimmt man noch ein paar der Kinderkrankheiten des Vorgängers. Zum Beispiel stehen wir in Events oft an vorderster Front. Sind wir ein gestandener Kämpfer, haben wir damit kein Problem. Als fragiler Magiewirker schon eher. Auch der ein oder andere UI-Aussetzer ist uns begegnet, wenn Knöpfe nicht das tun, was sie sollen oder Items an unserem Cursor kleben bleiben, obwohl wir sie nur ins Inventar ablegen wollen. Allerdings sind das rasch patchbare Probleme. Was dann noch bleibt, ist ein enorm umfangreiches RPG, das uns seine neuen Features nicht mit Gewalt aufdrängen will. Klar, Schifffahrt ist wichtig. Aber wir können problemlos Stunden damit verbringen, die Hauptquest aus den Augen zu verlieren und dutzende Nebenmissionen einer Stadt zu erledigen.
Da unsere Taten Konsequenzen haben, sammeln wir nebenher noch Ruf bei den verschiedenen Fraktionen des Todesfeuer-Archipels. Unterstützen wir eine der Handelsgesellschaften und deren Interessen? Stehen wir auf der Seite der unteren Kasten? Oder werfen wir uns mit Leib und Seele in das Leben als Freibeuter? All das entscheidet, wie die Leute auf uns reagieren. Vielleicht will zum Beispiel ein Priester nicht mit uns reden, weil er gehört hat, dass wir die ganze Zeit mit den Verbrecherbossen der Slums abhängen. Es gibt also immer etwas zu tun, wobei es erfreulich ist, dass Pillars of Eternity II nicht ständig in Extreme verfällt. Nur weil wir eine Quest auf eine bestimmte Art und Weise lösen, heißt das nicht, dass nicht auch die andere Seite ihren Nutzen daraus ziehen kann.
Veteranen können übrigens ihren alten Speicherstand mit all ihren Entscheidungen direkt reinladen. Alternativ entscheiden wir uns entweder für einen vorgefertigten Spieldurchlauf des ersten Teils oder gehen im Schnelldurchlauf nochmal alle Entscheidungen durch. Trotzdem könnten Neueinsteiger ein wenig Probleme damit haben, all die Anspielungen auf den ersten Teil zu verstehen. Das liegt aber in der Natur der Sache.
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