Death Stranding - Test/Review
Ich weiß noch, wie alles begann. Next Day Delivery über Amazon. Ein paar Jahre später steht die Welt am Abgrund, Geister gehen um und ich schlage mich durch die Wildnis, um Leuten ihre frische Unterwäsche ins Nirgendwo zu liefern. Ihr habt den roten Faden verloren? Keine Sorge, ich am Anfang auch. Death Stranding. Hideo Kojimas neues Werk. Ich habe reingeschaut und bin unterwältigt. Also starten wir rein!
Von Lars Hack am 22.11.2019 - 14:23 Uhr

Fakten

Plattformen

PlayStation 4 Pro

PlayStation 4

PC

Publisher

Sony

Entwickler

Kojima Productions

Release

08.11 2019

Genre

Action

Typ

Vollversion

Pegi

16

Webseite

Preis

59,90 Euro

Media (12)

Spiel des Jahres?

Ich weiß noch, wie alles begann. Next Day Delivery über Amazon. Ein paar Jahre später steht die Welt am Abgrund, Geister gehen um und ich schlage mich durch die Wildnis, um Leuten ihre frische Unterwäsche ins Nirgendwo zu liefern. Ihr habt den roten Faden verloren? Keine Sorge, ich am Anfang auch. Death Stranding. Hideo Kojimas neues Werk. Ich habe reingeschaut und bin unterwältigt. Also starten wir rein!
Sam, whole us whole again... Whole
Einst gab es einen Release. Es war Death Stranding und monatelang wusste niemand, was wir davon erwarten können. Einst gab es einen Release. Heute wissen wir, dass es darum geht, Sachen auszuliefern. Einst gab es einen Release. Aber geht es nur darum, Dinge auszuliefern? Nein. Da wartet schon ein bisschen mehr auf uns, auch wenn ihr den Witz mit den „Einst gab es...“-Sätzen erst versteht, wenn ihr Death Stranding gespielt habt. Wir übernehmen die Rolle von Norman Reedus, pardon, Sam Porter Bridges. Eigentlich sind wir ein Eigenbrötler, der nicht sterben kann und Pakete ausliefert. Klassischer Alltag also. Die Welt ist ziemlich hinüber – ein Event namens Death Stranding hat vor ein paar Jahren die Welt der Lebenden und die Welt der Toten miteinander verschmolzen. Die Folge war, literally, Geister, die durch unsere Welt treiben und Menschen angreifen. Wenn sie einen erwischen, gibt es einen Leerensturz, eine riesige Katastrophe, die nur Krater hinterlässt. Und es kommt noch schlimmer! Denn wenn ein Mensch stirbt, wird er nach 48 Stunden ebenfalls zu einem solchen Geist. Jeder Tote ist also automatisch eine potenzielle Atombombe für alles um ihn herum. Rosige Aussichten, weswegen das gefährliche Reisen zwischen Städten auch nur noch von professionellen Kurieren übernommen wird. Und wir sind einer der besten. Eine Legende. The man who delivers. Irgendwie kommen wir immer durch, sind wortkarg und ja, können wirklich nicht sterben. Wir kommen einfach wieder. Bewegung kommt in unser Leben, als wir einen Auftrag für Bridges erledigen, die Firma, die das bisschen Rest-Amerika am Laufen hält, in dem wir uns bewegen. Das Land ist zersplittert. Städte kämpfen nur auf sich selbst gestellt ums Überleben. Aber es gibt noch Hoffnung! Wir können zwischen den Städten reisen. Wir können weitermachen, wo andere aufgeben. Wir können die Leute verbinden. Sie alle wieder ganz machen! Sam, make us whole again! Zumindest sagt man uns das immer und immer und immer wieder. Wir machen Amerika, und damit die gesamte Welt, wieder ganz, indem wir Stadt um Stadt jeden wieder ans Netz bringen. Ganz selbstverständlich tragen wir dabei eben auch noch Pakete aus. Wäre ja auch kaum eine Amerika-Rettung, wenn jemand auf seine Playstation warten müsste, nicht? Allerdings hat Amerika Feinde (oh Gosh!), auch dann, wenn es bereits am Boden liegt. Terroristen, Geister, Leute mit der Fähigkeit zum Teleportieren – es liegt eine Menge Arbeit vor uns. Die Story hält noch so viel mehr für uns bereit, aber alles, wirklich alles von hier an wäre ein riesiger Spoiler. Sorry, Leute!
Expresslieferung in eure Herzen
Auf unserem Weg, Amerika wieder zu verbinden, gehen wir leichten Schrittes über Stock und Stein. Wobei... Leichten Fußes ist vielleicht etwas übertrieben. Wir richten uns einerseits nach unserem maximalen Traggewicht, andererseits nach den Grenzen unseres Messenger-Rucksacks. In schwindelerregende Höhen stapeln wir unsere Fracht, mal Storyobjekte, mal verlorengegangene Pakete anderer Kuriere oder eben Ressourcen zum Craften. Schließlich brauchen wir zahlreiche Hilfswerkzeuge, um die Welt zu bereisen. Leitern um Klippen zu erklimmen, Seile um Klippen hinabzusteigen und Fahrzeuge, um mal die Wanderung abzukürzen. Wir schalten eine Menge frei, keine Sorge. Waffen, klar, aber eben auch Exoskelette und Baukits. Am Ende aber alles nur, um noch besser Pakete auszuliefern. Denn das ist der Schlüssel, um die Welt zu retten! Wichtige Codes müssen überbracht werden. Oder Blaupausen. Vorräte. Mit jedem Paket liefern wir auch ein bisschen Hoffnung zu den Menschen und kassieren dabei Likes. Die Stärken unsere Stats, lassen uns mehr tragen oder sorgen dafür, dass unsere Fracht weniger schnell beschädigt wird. Niemand mag ein kaputtes Paket und wenn wir dooferweise mal eine Bergflanke hinabfallen passiert eben genau das. Gibt eben Abzüge in der B-Note. Sam Porter Bridges hat ein Talent dafür, wirklich komisch durch die Gegend zu stolpern und absolut jeden Stein auf seinem Weg mitzunehmen. Das beschert uns skurrile Szenen, in denen Norman Reedus komplett davon überfordert ist, zu laufen. Yeah...? Die Schwerkraft (jene grausame Herrin) ist aber nicht unser einziger Feind. Verrückte Sekten und Geister warten da draußen ebenfalls. Erstere dürfen wir nicht töten, weil... Ihr wisst schon. Leerenstürze. Dafür dürfen wir dank Spezialmunition auf Geister schießen! Oder wir schleichen an ihnen vorbei und vermeiden eine potenziell zerstörerische Auseinandersetzung. Ich habe es mir irgendwie einfach gemacht, meist. Ein Feld voller Geister durchquert man am besten mit einem röhrenden Motorrad, das schneller als die schmenhaften Schurken ist. Brumm, brumm, du Schattengestalt!
Damit ich auch wirklich immer ein Motorrad zur Verfügung hab, vertraue ich auf Leute, die sind wie ich: Gamer! Death Stranding ist ein Singleplayer-Spiel mit Multiplayer-Influence. Okay, wie erklärt man das... Wir sind alleine. Wir cruisen alleine durch das Land, aber nicht ganz auf uns gestellt. Wir teilen uns Serversphären mit anderen Spielern und dürfen dadurch deren Errungenschaften mitbenutzen. Spieler X hat einen Generator gebaut, an dem wir unser Motorrad laden? Nett von ihm oder ihr! Dafür bauen wir an einer anderen Stelle eine Brücke über eine Schlucht. Und jedes Mal verteilen wir mehr Likes! Wir freuen uns und verteilen positive Vibes. Darum geht es doch beim Paketeliefern, oder? Alles liken! Aber passt auf... Irgendwo da draußen wartet Mads Mikkelsen auf euch. Auch wenn ihr schlaft. Immer. Er wartet. Und mikkelt.
Hear me (low) roar!
Nach Death Stranding wissen wir zwei Dinge mit Sicherheit. Erstens: Da ist absolut keine Chance, dass Hideo Kojima Norman Reedus nicht nackt gesehen hat. Zweitens: Hideo mag die amerikanisch-isländische Band Low Roar wirklich, wirklich gerne. Abgesehen davon muss man einen wirklich kritischen Blick auf Death Stranding werfen. Das Gameplay ist flach – wir liefern Pakete und lassen uns dabei nicht über den Haufen schießen oder von Geistern fressen. Wer hätte gedacht, dass es so einfach ist, die Welt zu reparieren? Ihr solltet trotzdem mögen, oft das gleiche zu machen, gerade weil Death Stranding es liebt, euch auf unnötig lange Reisen in längst bekannte Gebiete zu schicken. Dafür sieht die Welt hübsch aus! Wolkenkratzende Berge und Herr der Ringe-eske Landschaften auf der einen Seite, verflixt hübsche Gesichtsanimationen (für Storychars) auf der anderen Seite. Optisch wird uns hier ein Feuerwerk geboten, mit überraschend menschlich aussehenden Schauspielern – der Begriff „Spielfiguren“ wird dem ganzen kaum gerecht. Nun sagt ihr bestimmt „Aber Lars, komm doch endlich mal auf die Story zu sprechen!“ Ganz ruhig, tu ich ja! Dass Hideo einen ganz eigenen Stil hat, das wissen wir alle. Viele gute Momente, ein paar seltsame, aber am Ende gleicht es sich aus... früher. Denn die Story von Death Stranding hat mich eher enttäuscht zurückgelassen.
Wir werden verwirrend schlecht in die Welt eingeführt, immer wieder overreacten NPCs auf die kleinsten Neuigkeiten und überhaupt wirken die meisten Wendungen nur schwer nachvollziehbar. Die kommenden Worte könnten Spoiler sein. Wenn ihr die vermeiden wollt, springt zum Anfang des nächsten Absatzes. Aber wenn uns ein Charakter minutenlang damit vollredet, dass er keine Seele hat und versucht, pseudo-wissenschaftliche Fakten aufzuzählen, dann wirkt das eher befremdlich. Oder wir mit in world-Konzepten angeschrien werden, die uns als Spieler zu dem Zeitpunkt nichts sagen, woraufhin Norman Reedus... Einfach nicht reagiert. Dieser Mann kann ungelogen ganze Unterhalten führen, indem er nur zustimmend grunzt. Das ist ein Talent, wirklich! Aus erzählerischer Sicht lässt ihn das aber merkwürdig disconnectet wirken. Auf der anderen Seite sehen wir Mads Mikkelsen, dessen Performance wahnsinnig gut ist. Auch andere prominente Darsteller blühen durch ihre virtuellen Counterparts absolut auf, auch wenn der gute Guillermo del Toro in den meisten Szenen wirkt, als würde er Taboo spielen und das Wort „Overreacting“ darstellen wollen. Auch, dass die deutsche Vertonung eigentlich recht gelungen ist, rechnen wir dem Spiel hoch an.
Aber dem gegenüber stehen viele kleine Negative. Die Fahrzeugmechanik ist absolut broken, immer wieder gibt es Kollisionsprobleme, Sam stolpert in den merkwürdigsten Situationen, viele unserer Taten bleiben enttäuschend folgenlos und das Storytelling bleibt oft auf der Strecke. Warum hat Hideo die eingesprochenen Interview-Kassetten aus Metal Gear: Phantom Pain nicht beibehalten? Stattdessen bekommen wir ein buchdickes Journal mit Ingame-Erklärungen und E-Mails von NPCs, die größtenteils einfach nur cringy sind. Viele Schriftstücke in Death Stranding wirken, als wären sie mittelmäßige Fanfictions zu Death Stranding. Hier wird eine Meta-Ebene eröffnet, die ich bisher nicht für möglich gehalten habe.

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