Menschheit VS E.T.
Drei Jahre ist es her, dass uns Firaxis Games mit der Neuauflage von XCOM als namenloser Commander in den Kampf gegen Invasoren aus dem All warf. Die Fortsetzung des Kampfes um das Schicksal unseres Heimatplaneten wurde von Fans heiß erwartet. Welche Neuerungen uns der Entwickler auf dem Weg zur Befreiung der Erde von Alien-Invasoren mit auf den Weg gibt und warum XCOM 2 ebenso schnell eine tiefe Hass-Liebe beim Spieler hervorruft, wie sein Vorgänger, erfahrt ihr in unserem Test.
Weltrettung war gestern
Befreiung der Erde? Wie kann das sein, darf man sich fragen, schließlich haben wir XCOM: Enemy Unknown damit beendet, dass wir die Erde gerettet und das Mutterschiff der Alien zerstört haben. Doch belehrt uns XCOM 2 schnell eines Besseren: Central, unsere Tu-dies-tu-das-Stimme aus dem Vorgänger, befreit uns aus der Aliengefangenschaft und bringt seinen Commander schleunigst auf den neuesten Stand. Denn wir haben die Erde nie gerettet. Das XCOM-Programm versagte damals kläglich, wurde von den Invasoren im Sturmlauf überrannt und die Nationen der Welt binnen Wochen zur Aufgabe gezwungen. Wir selbst, als Commander, wurden von den außerweltlichen Besuchern festgesetzt und 20 Jahre auf Eis gelegt. Statt eine perfekt ausgerüsteten Alien-Abwehr-Organisation zu übernehmen sind wir nun der Kopf einer unorganisierten, unterbesetzten und technisch weit abgehängten Untergrundbewegung. Konnten wir dem Feind damals relativ souverän als erste Verteidigungslinie der Erde begegnen, müssen wir neuerdings aus dem Schatten angreifen, Hinterhalte legen und Versorgungslinien kappen. Nebenher verwenden wir all unsere Energie darauf, unsere kleine Rebellion wachsen zu lassen und die Aliens an dem Beenden ihres Avatar-Projekts zu hindern. In der Zeit, in der wir von der Welt abgeschnitten waren, haben sich die Kriegsschauplätze von XCOM 2 in eine futuristische Version der Erde verwandelt, die von den wesentlich weiter entwickelten Aliens in den letzten 20 Jahren richtig auf Vordermann gebracht wurde, inklusive einer menschlichen, genetisch veränderten Miliz, die sich uns auf jeden Wink ihrer Alien-Herren freudigst in den Weg wirft.
Der Krieg der Zukunft
Noch immer steuern wir unser Team aus bis zu sechs Soldaten, die sich für uns in den Kampf wagen, doch greifen wir dabei auf modernisierte Klassen zurück. Neben seinem Gewehr verlässt sich der Scharfschütze auf seine Pistole. Der Grenadier trägt mit einer breiten Palette an Granaten unsere schweren Waffen. Stärker überarbeitet wurde unser Spezialist, der noch immer
Heiler sein kann, nun aber stets eine fliegende Drohne mit sich führt, die für ihn alle Arten von Arbeiten aus der Entfernung durchführt – Hacken, Heilen, Schaden verteilen. Die Sturm-Klasse geht im Ranger auf, der nicht mehr nur mit der Schrotflinte umgeht, sondern nun auch mit der Klinge die erste Wahl für den Nahkampf ist. Später können wir Soldaten auch auf den Umgang mit Psi-Kräften ausbilden. Inzwischen gehen wir auch anders an unsere Gefechte heran. Wir stürmen nicht länger blind ins Getümmel, sondern starten so manche Mission in Tarnung. Dabei weichen wir feindlichen Sichtfeldern aus und vermeiden Krach, bis wir in der perfekten Position für Angriffe aus dem Hinterhalt sind. Doch lassen sich Missionen nicht zur Gänze heimlich durchziehen, irgendwann müssen wir die Tarnung aufbrechen und Waffen sprechen lassen. Eine weitere Neuerung ist das Tragen von Körpern. Verwundete oder Tote können sich unsere Soldaten nun über die Schulter werfen, um sie in Sicherheit zu bringen oder wertvolle Ausrüstung nach Ende der Mission wieder zu bergen.
Natürlich fehlt auch der Ausbau unserer Basis nicht, doch gräbt sich XCOM nicht länger ein, sondern setzt auf ein riesiges, gekapertes Alienschiff, das wir Stück für Stück wieder flottmachen. Sparsame Commander dürfen sich freuen: Waffen und Rüstungen stellen wir nur einmal her und geben sie danach an alle Soldaten aus, die dafür infrage kommen. Nur spezialisierte Werkzeuge wie Granaten und Medikits beauftragen wir einzeln. Was wir dann nicht selbst herstellen, sammeln wir uns von besiegten Feinden ein, so zum Beispiel die zahlreichen Waffenmodifikationen, die uns das Verteilen von kleinen Boni auf unseren Trupp erlauben. Dabei gibt es allerdings auch Wermutstropfen. Zum Beispiel die Reflexbewegungen der Feindtruppen bei Entdeckung, die schon so manchem XCOM-Spieler graue Haare beschert haben, oder das an manchen Stellen wirklich ärgerliche Springen des Cursors zwischen verschiedenen Spielebenen. Auch der Multiplayer ist kurz nach Release eher zu meiden – ständige Verbindungsschwierigkeiten sorgen neben dem unflexiblen Kaufsystem für Einheiten eher für Frust als für Spielspaß.
Atmosphäre
Neben der aufgemotzten Engine und leichten, grafischen Erweiterungen hat Entwickler Firaxis sich dem Wunsch nach mehr Individualität für die eigenen Soldaten angenommen. Wir ändern nicht mehr nur Gesicht und Haare unserer Lieblinge, sondern bestimmen einzelne Kleidungsteile, geben den Schießeisen besondere Muster und nutzen eine riesige Palette an Farben, um unser Squad so bunt zu gestalten, wie wir wollen. Unsere Männer und Frauen kehren mit Narben aus dem Krankenstand zurück und legen sich mit höherem Rang auch unter die Nadel. Die Bindung mit unseren Soldaten ist stimmig und kann schnell viel Zeit und Liebe verschlingen. Zeit und Liebe, die durch einen anderen atmosphärischen Kniff schnell dahin sein können: Wir sind die Underdogs in diesem Kampf, und XCOM lässt uns das spüren. Die Schwierigkeitsgrade ziehen schnell an, und so manches Mal fragen wir uns, ob wir überhaupt genug Kugeln für die riesigen Horden an Aliens haben, die uns das Spiel entgegenwirft. Spätestens der wieder vorhandene Ironman-Modus sorgt dann dafür, dass man als Spieler wutentbrannt und laut fluchend das Spiel beendet, wenn das aufwendig gestaltete Lieblingssquad mal wieder binnen weniger Runden ausgelöscht wurde. Und trotzdem spielt man gerne weiter, nachdem man sich abgeregt hat – denn XCOM 2 bringt uns den Kampf Mensch gegen Alien viel zu gut rüber, als dass man ihm lange böse sein könnte.
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