Kingdom Come: Deliverance - Test/Review
Lange mussten Fans und Kickstarter-Backer warten. Und auch in unseren Redaktionsgesprächen hörte man in den letzten Wochen stets „Kingdom Come hier, Kingdom Come da!
Von Lars Hack am 21.02.2018 - 14:26 Uhr

Fakten

Plattformen

PlayStation 4 Pro

Xbox One X

PlayStation 4

Xbox One

PC

Publisher

Deep Silver

Entwickler

Warhorse Studios

Release

13.02 2018

Genre

Action-RPG

Typ

Vollversion

Pegi

16

Webseite

Preis

49,99 Euro

Media (24)

Bauern und Baustellen

Dreckige Bauern und edle Ladys
Der große Marketingpunkt von Kingdom Come: Deliverance war die historische Authentizität, auf die Entwickler Warhorse Studios großen Wert legte. Wie viel ist also jetzt, so viele Jahre nach der ersten Akündigung, noch von diesem Anspruch übrig? Wie sich zeigt eine Menge. Ohne Magie und Drachen reisen wir durch ein realistisches Böhmen im Jahre 1403, wahlweise zu Fuß oder zu Pferd. Wir begegnen ärmlichen Dorfbewohnern und hohen Adeligen, kämpfen gegen Banditen und einfallende Kumanen oder können die Anwohner bei ihrem alltäglichen Leben beobachten. Sprechen wir mit jemandem von edlem Blut, sollten wir aufpassen, dass wir den nötigen Respekt zeigen. Wenn wir eher nach zwielichtigen Gesellen suchen, wird man uns in Richtung der Müller, Köhler und Henker schicken, die abseits der geregelten Gesellschaft im Dorfverband leben.
Weil sich nicht unbedingt jeder Spieler perfekt mit der mittelalterlichen Welt auskennt, stellt man uns einen Kodex zur Seite. Dieser erklärt uns Stück für Stück das damalige Leben. Besuchen wir das erste Mal den Galgenberg der Stadt, wird uns im Kodex erklärt, wie man Strafen im Mittelalter ausführte. Beim Zechen in der örtlichen Schenke können wir hingegen nachlesen, welchen Stellenwert Alkohol für die mittelalterliche Gesellschaft hatte. Hier wird also kein Geschichtsstudium vorausgesetzt – Kingdom Come hilft uns auf die Sprünge! Trotzdem sollte erwähnt werden, dass das Publikum an NPCs sehr eintönig ist. Tschechen sind die Guten, die wenigen Deutschen, die wir treffen sind überheblich oder feindlich gesinnt und jeder, der von weiter östlich kommt wird automatisch zum Bösewicht degradiert. Um den Kampf mit dem Schwert möglichst genau darzustellen, ermöglicht man uns den Angriff aus verschiedenen Richtungen, Finten und Konter. Leidenschaftliche Bogenschützen erleben den Bogen zunächst als unhandliche, ungenaue Waffe, die aber umso tödlicher wird, wenn man sie schließlich meistert.
Wenn der Realismus dann doch einmal zur Seite geschoben wird, geschieht das mit einem Augenzwinkern. Auf manche klassischen RPG-Elemente wollte man eben einfach nicht verzichten. Also gibt es Stärkungstränke in Form von potentem Alkohol, der uns für einige Zeit vielleicht mehr Stärke oder Charisma verleiht, aber eben auch die Gefahr mit sich bringt, betrunken zu werden. Wenn wir Alchemie betreiben, ziehen wir nicht einfach ein paar Zutaten in ein Overlay, sondern kümmern uns persönlich um jeden Schritt im Brauprozess. Und auch andere Elemente, wie der Taschendiebstahl, werden durch leicht zu verstehende Minispiele dargestellt.
Patchen, patchen, patchen
Ist Kingdom Come also das perfekte Mittelalter-Rollenspiel? Wohl nicht. Zum einen wurden zahlreiche Versprechungen, die noch während der Kickstarter-Kampagne angekündigt wurden, nicht realisiert und das hinterlässt bei vielen Unterstützern einen bitteren Nachgeschmack. Aber selbst, wenn man nicht zu den frühen Geldgebern gehört wird einem der Spielspaß hier und da verhagelt. Zum Beispiel kränkelt Kingdom Come, neben gelegentlichen Performance-Problemen, an einer langen Reihe von technischen Problemen. NPCs die plötzlich aus dem Himmel fallen, Pferde die sich unbeweglich an Zäunen aufhängen und Dialoge, die von jetzt auf gleich stoppen und uns im Gespräch gefangen halten. Das alles passiert nicht ständig, aber doch häufig genug, dass es uns auffällt. Und wenn viel von unserem Missionsfortschritt verloren geht, weil eine Cutscene nicht richtig startet und die Autosaves qualvoll weit auseinanderliegen, dann dämpft das den Spielspaß schon enorm. An die Tastenbelegung in Menüs muss man sich auch erstmal gewöhnen. Allerdings werkelt der Entwickler bereits fleißig an Patches um genau solche Fehler und das umständliche Speichersystem zu verbessern. Wollen wir unseren Fortschritt nämlich sichern, geht das nur an einem Bett oder durch das Verbrauchen eines Gegenstandes in unserem Inventar. Haben wir diesen Gegenstand nicht, müssen wir uns erst auf die mühsame Bettensuche machen. Das heißt aber nicht, dass man mit Kingdom Come keinen Spaß haben kann. Zwar verliert die Hauptstory streckenweise etwas an Tempo und hat mit ihren eigenen gelegentlichen Seichtheiten zu kämpfen, allerdings bringen die zahlreichen Nebenquests wirklich Leben in die Welt. Abträglich ist dabei, dass es zwar die Gelegenheit zur ein oder anderen Romanze gibt, diese aber meist nur auf eine schnelle Liebesnacht hinauslaufen und danach nie wieder thematisiert werden. Das hier ist doch nicht GTA Bohemia! Und auch große Entdeckermomente sind zwischen den Ansiedlungen eher rar gesät. Dafür ist die deutsche Synchronisierung beeindruckend gut gelungen, sieht man mal von ein, zwei unvertonten Dialogpassagen und dem völligen Fehlen von passender Lippensynchronisierung ab.
Vor allem unser Hauptcharakter Heinrich besticht durch eine grandiose Vertonung und balanciert genau auf dem Grad zwischen zu viel und zu wenig Persönlichkeit. Man lässt uns also ausreichend Gelegenheit, so manche Quest auf unsere ganz eigene Art zu lösen. Quests, die tatsächlich recht unterschiedlich ausfallen und mit einer gehörigen Portion (recht erwachsenem) Humor glänzen. Nur hätte man die ein oder andere Zeitspanne kürzer bemessen können. Um herauszufinden, wer mehr Hasen erlegen kann, müssen wir doch keinen ganzen Ingame-Nachmittag durch den Wald irren, oder? Und warum lässt man uns nicht mit allen NPCs reden?

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