Vampire: The Masquerade: Bloodlines 2 - Test/Review
Kommt heran, Childe, Kinder der Nacht, Töchter und Söhne Kains! Entwickler The Chinese Room, gemeinsam mit dem schwedischen Publisher Paradox Interactive, ziehen uns erneut in die Nacht und die Welt der Dunkelheit.
Von Lars Hack am 11.11.2025 - 04:28 Uhr

Fakten

Plattformen

PlayStation 5 Pro

Xbox Series S

Xbox Series X

PlayStation 5

PC

Publisher

Paradox Interactive

Entwickler

The Chinese Room

Release

21.10 2025

Genre

Action-RPG

Typ

Vollversion

Pegi

18

Webseite

Preis

59,90 Euro

Media (24)

Blutleer


Kommt heran, Childe, Kinder der Nacht, Töchter und Söhne Kains! Entwickler The Chinese Room, gemeinsam mit dem schwedischen Publisher Paradox Interactive, ziehen uns erneut in die Nacht und die Welt der Dunkelheit. Methusalemische 21 Jahre nach dem ersten Teil darf nun ein Nachfolger den Namen Vampires: The Masquerade - Bloodlines tragen. Ich bin dem Ruf der Clans nach Seattle gefolgt!

Der Schläfer erwacht


Erinnern wir uns an den ersten Teil zurück, dann erinnern wir uns an ein Vampirleben, das gerade erst begonnen hat. Angesiedelt in der Rollenspiel-Welt World of Darkness, wurden wir im ersten Bloodlines gerade erst zu einem Leben des Untodes verdammt. Der Vorteil daran: Als Neuling musste man uns die gesamte Welt, ihre Regeln und Fraktionen erklären. Ein einfacher Einstieg für alle, die noch nie mit der Welt in Kontakt gekommen sind. Der zweite Teil schlägt aber ganz andere Saiten an - und ändert nicht nur die Herangehensweise an die Story, sondern gleich das gesamte Gameplay komplett! Wir beginnen dieses Mal nicht als unerfahrener Neu-Vampir, sondern als ein Ältester und sogar in der First-Person-Perspektive. Hunderte Jahre haben wir die Welt durchstreift, waren im Nahen Osten, reisten quer durch Europa, erlebten Wunder und Katastrophen, die die moderne Welt nur noch aus Geschichtsbüchern kennt. Unser Name hat die Zeit nur spärlich überstanden, da es uns immer wieder von einem Ort zum nächsten geführt hat, immer ein neuer Name, immer eine neue, sehr temporäre Heimat. Wegen unserer nomadischen Natur haben die anderen Vampire uns eben auch genau so genannt: Nomade. Allerdings nahm unsere Reise vor hundert Jahren ein jähes Ende. Kaum hat sich Europa von den Strapazen des ersten Weltkriegs erholt, sind wir in Topor verfallen, dem ohnmachtsähnlichen Schlaf der Vampire, aus dem nur frisches Blut auf den Lippen den schlafenden Untoten wieder erwachen kann. Und genau hier beginnen wir unser Abenteuer in Bloodlines 2. Hundert Jahre sind vergangen, ohne, dass wir sie mitbekommen haben. Es ist kalt. Wir hören Stimmen. Wir sind wild, orientierungslos, hungrig nach dem Blut der Sterblichen. Oh, ja, und wir sind in Seattle, im Nordwesten der USA, mitten im verschneiten Winter (oder schneit es aufgrund der Nähe zu Kanada?). Neben einer allgemeinen Ahnungslosigkeit, wie es uns in diese vereinigten Staaten verschlagen hat, stellt sich uns direkt ein weiteres Rätsel: Die Stimme in unserem Kopf. Fabien, seines Zeichen Detektiv und ebenfalls ein Vampir, wenn er nicht in gerade in unserem untoten Oberstübchen verweilt, steht uns unversehens mit Rat, aber nicht mit Tat zur Seite. Er weiß selbst nicht, warum er die Welt nicht aus seinen Augen, sondern durch unsere sieht. Warum er ein blinder Passagier in unserer Reise des Erwachens ist. Oder warum er sich partout nicht daran erinnern kann, wo sein Körper ist. Es gilt also, viele Fragen zu beantworten, Kräfte zurückzugewinnen und einen festen Stand in Seattle zu finden. Jeder von euch, der sich mit der World of Darkness und ihren elitären Blutsaugern auskennt, ahnt jetzt schon, dass es nicht nur Vampirjäger oder ahnungslose Sterbliche sind, die sich mal mehr, mal weniger in unseren Weg stellen werden. Auch die anderen Untoten, allen voran die feudal-organisierte Camarilla, hat ganz besonderes Interesse daran, wenn plötzlich ein legendärer, unsagbar-mächtiger, jahrhundertealter Vampir plötzlich unter ihnen auftaucht und Geschichten wieder ausgräbt, die viele Unsterbliche in der Emerald City lieber hätten ruhen lassen. Aber ein Nomade sucht sich sein Ziel eben nicht immer aus, sondern lässt sich wahlweise vom Wind, vom Blut oder von der Ohmacht treiben.

Blutleere Körper hautnah


Wie gesagt, es macht keinen Sinn, Bloodlines 2 in den Vergleich mit dem ersten Teil zu setzen. Also lasse ich es auch direkt sein! Als der Nomade schlüpfen wir in der ersten Perspektive auf die verschneiten Straßen Seattles - und auf die Dächer der Stadt. Müssen wir uns anfangs noch etwas an Bewegungssystem herantasten, navigieren wir mit jeder Spielstunde ein bisschen besser über Straßen, durch Nebengassen, hoch auf den Dächern und sogar durch die Luft. Der Nomade ist ein Vampir der besonderen Art, der auch gerne mal die Limitierungen des Pen&Paper-Systems hinter sich lässt (zumindest gemessen an dem, was ich darüber weiß). So können wir nicht nur durch die Luft gleiten, um Häuserschluchten lässig zu überwinden, sondern lernen auch im Laufe des Spiels weit mehr Kräfte, als wir eigentlich können sollten. Denn Vampire sind eigentlich in Clans aufgeteilt, uralte Blutlinien, die das Temperament, aber auch die Kräfte eines Vampires beeinflussen. Zu Beginn erwartet uns zunächst der kleinste Charakter”editor” der Welt, in dem wir nur unser Geschlecht und unseren Clan auswählen. Starten wir dann in das Spiel, können wir dann zwar auch Kleinigkeiten wie Haarstil oder Schmuck auswählen, aber eben auch über unseren Clan hinauswachsen. Im Laufe der Story schalten wir Kontakte frei, Vertreter anderer Clans, die uns gegen Gefälligkeit und eine blutige Währung Zugang zu den Fähigkeiten ihrer Blutlinie gewähren. Unsere Wahl zum Spielbeginn entscheidet also lediglich über unser Startset an Skills. Apropos Währungen: ein Inventar gibt es nicht. Der Nomade verlässt sich ganz auf die eigenen Klauen und die magischen Kräfte im Blut… würde ich sagen, wenn es nicht etwas geschummelt wäre. Es ist wahr, dass wir mit vampirischen Krallen schlitzen und hacken, Blutpfeile verschießen und Gegner ins Reich der Schatten verbannen, ganz ohne Kartenspiele sogar. Aber wir beherrschen auch Telekinese. Das hilft uns zum Beispiel, Gegnern einen sanften Schubser vom Hochhaus zu geben, auf dem wir gerade kämpfen. Oder den Backstein in der Ecke aufzuheben, um ihn jemandem mit der Kraft einer Abrisskugel gegen den Schädel zu werfen. Lässt einer unserer Feinde allerdings sein Schießeisen fallen, krallen wir uns das mit unserem magischen Händchen. Auf den ersten Klick entleeren wir das gesamte Magazin in die Richtung, in die wir gerade schauen. Mit dem zweiten Klick donnern wir die Waffe dann in oben beschriebener Backstein-Manier in Richtung unserer Widersacher. Waffen sind also nur temporär. Aber wer braucht schon Waffen, wenn man Dolche als Fingernägel hat?

Darf’s ein paar Tropfen mehr sein?


Aber trotzdem gibt es eine Währung, auch, wenn wir sie nicht für Krimskrams in unserem Inventar ausgeben. Wir haben auch keinen Bedarf an Dollar. Stattdessen sammeln wir Blutresonanz. Wer hätte gedacht, dass der rote Lebenssaft in einem Vampir-Spiel solch eine große Rolle spielt? Wir Normalsterblichen denken vielleicht, Blut sei Blut, aber für einen Vampir gibt es dabei mitunter gewaltige Unterschiede. Je nach Stimmungslage können unsere Blutspender melancholisch, sanguin oder cholerisch sein. Können wir diese dann ungestört aussaugen, sammeln wir Punkte in der jeweiligen Resonanz, die wir dann bei Clankontakten gegen deren Fähigkeiten eintauschen können. Am Ende, wenn wir nur fleißig genug trinken, verwandeln wir den Nomaden somit in eine blutsaugende Alleskönnerin, deren Skillset wir frei zusammenstellen. Und nicht nur das Skillset! Kosmetische Outfits sind an die Skills gebunden und jede Fähigkeit gibt uns einen neuen Eintrag in unseren Kleiderschrank. Das Fähigkeitssystem weicht zwar vom eigentlichen Grundspiel ab, genau wie das Sammeln der Resonanz als Währung, aber das ist nicht der letzte Punkt, an dem The Chinese Room etwas kreativer mit dem Quellenmatrial umgegangen ist. Die namensgebende Maskerade, also die oberste Regel der Vampirgesellschaft, Sterbliche niemals wissen zu lassen, dass das Übernatürliche existiert, ist hier eher ein Heat-Meter. Nutzen wir paranormale Kräfte wie unseren Doppelsprung oder blutige Geschosse, die um uns herum in der Luft schweben, im Blickwinkel von Menschen, steigt unsere Masquerade-Anzeige. Passiert diese die erste Schwelle von grün auf gelb, flüchten Menschen vor uns. Machen wir weiter, geht gelb in rot über und ruft die Polizei auf den Plan. Und füllen wir die Anzeige, wenn wir bereits auf rot steht, nehmen unsere vampirischen Brüder und Schwestern die Sache selbst in die Hand und entledigen sich unser. Dauerhafte Auswirkungen gibt es also nicht, eher eine “Ich sollte schleunigst hier verschwinden”-Warnung. Ebenso ist der Blutvorrat verschwunden. Saugen wir einen Sterblichen aus, dann füllen wir kein übernatürliches Vitae-Reservoir in unserem Inneren, sondern sammeln Einsatzpunkte für unsere Fähigkeiten. Jede Fähigkeit hat unterschiedlichen Bedarf an Einsatzpunkten, die gefüllt werden wollen, wenn wir die Fähigkeit erneut einsetzen möchten. Blutsaugen ist also ein steter Zeitvertreib für uns, um unsere Kräfte am Laufen zu halten.

Hunderte Jahre, die gleiche Nacht


Wenn das Kampfsystem also sauber läuft und eine Menge Spaß macht, die Navigation durch die Stadt solide ist und die Wahl unserer Fähigkeiten sich ganz unserem Spielstil anpassen lässt, wo hapert es für Bloodlines 2? Tatsächlich an vielem, vor allem da, wo es nicht um die Hauptquest geht. Die Mainstory ist eine solide Geschichte mit Wendungen, interaktiven Rückblenden und dem zu erwartenden Grad an Verrat und Intrigen. Die Nebenquests? Absolute Routine, leider. Jede Nacht haben wir eine Handvoll Charaktere, die uns immer wieder die gleichen Quests geben. Vampir A möchte, dass wir an verschiedenen Orten Gruppen von Gegnern ausschalten, Vampir B schickt uns los, um ein Paket abzuliefern. Diese Quests sind zwar vollauf in englisch synchronisiert, aber eben auch absolut austauschbar. Leider keine wirklichen Highlights hier. Dazu kommen technische Macken. Framedrops, Hänger, Sound, der nicht sauber abgespielt wird, und mehr. Während das Spiel ziemlich gut aussieht, spielt die Optik nicht auf einem Level, auf dem solche technischen Enttäuschungen auftreten sollten. Selbst die Gegner sind einfach flacher. Fast das gesamte Spiel hindurch, gute 20 Spielstunden lang, kämpfen wir gegen den gleichen Mix aus austauschbaren Widersachern, nur mit den gelegentlichen Ausreißern. Habt ihr eine Gegnerart gesehen, habt ihr mehr oder weniger alles erlebt, was das Spiel zu bieten hat. Und wo sind die Ausflüge? Unser gesamtes Abenteuer in Seattle findet in einem einzigen Viertel statt. Keine Reisen zu anderen Teilen von Seattle, geschweige denn aus der Stadt heraus. Stattdessen nennen wir eine Handvoll Straßen unser neues Zuhause. Diese bieten zwar viel zu entdecken, vor allem, wenn wir die Navigation über die Dächer meistern. Aber die Vielfalt unserer Umgebung leidet dennoch arg unter unserem urbanen Gefängnis.

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