Necrobarista - Test/Review
Wo liegt wohl das Ende der Welt? Laut Necrobarista vermutlich in Australien!
Von Lars Hack am 12.08.2020 - 02:52 Uhr

Fakten

Plattform

PC

Publisher

Route 59

Entwickler

Route 59

Release

22.07 2020

Genre

Adventure

Typ

Vollversion

Pegi

16

Webseite

Preis

16,79 Euro

Media (10)

Was für eine Erfahrung

Wo liegt wohl das Ende der Welt? Laut Necrobarista vermutlich in Australien! Entwickler ROUTE 59 offenbart uns damit zwar das offensichtliche (ich meine... Ist Australien nicht ohnehin das Ende der Welt?), trotzdem hat uns das Abenteuer rund um Kaffee, Geister und Zeit mehr zu bieten. Habt ihr reserviert? Wir schon! Willkommen an unserem Tisch im Café Terminal!
Schwarz, con leche oder gleich ein Hipsterbräu?
Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für euch. Welche wollt ihr zu erst hören? Ich hoffe doch die schlechte: Ihr seid tot. Aber hey, die gute Nachricht macht das doch fast wieder wett: Ihr habt noch 24 Stunden auf dieser Erde! Und diese 24 Stunden dürft ihr im Terminal verbringen, einem lauschigen Café, das zugleich in einer Nebenstraße Melbournes als auch irgendwo zwischen Leben und Tod liegt. Was danach kommt? Wer weiß das schon. Ein Hobbit-mäßiges Abenteuer? Die große Leere? Innerhalb eines Tages werden wir es wohl herausfinden. Und mit „wir“ meine ich eher Kishan. Der junge Mann hat nämlich kürzlich das Zeitliche gesegnet und findet sich genau in eben jenem Café wieder. Still ist es hier trotz der Grabesstimmung (Haha... Ha...) allerdings nicht, denn Kishan freundet sich schnell mit den Besitzern des Etablissement an. Da wäre zum einen die frischgebackene Besitzern des Cafés, Maddy, angehende Nekromantin und erfahrene Barista für die Lebenden und Verstorbenen. Oder der frühere Besitzer, Chay, dessen Alter bereits im dreistelligen Bereich liegt und der dennoch jeden jenseits der sterblichen Welt zu kennen scheint. Und nicht zu vergessen: Ashley, die kampfroboterbauende, Seelen-in-Maschinen-einpflanzende Minderjährige mit der voll funktionstüchtigen Armprothese. Wildes Ensemble, aber was erwartet man auch sonst von einer Welt zwischen Popkultur, Hipster-Szene und dem Sterben? Klick, Klick, Kaffee
Im Grunde „spielen“ wir Necrobarista mit gerade einmal vier Buttons: Unserer klassischen WASD-Steuerung und der linken Maustaste. Denn Necrobarista fällt in das Genre Graphic Novel und verwandelt und als Spieler eher zu aufmerksamen Zuschauern und -lesern, als wirklich Akteuren. Wir lauschen den Gesprächen der Figuren (in Textform), die sich vor größtenteils stilllebigen, manchmal aber auch animierten Bildern abspielen, alles in einer cellshading-geladenen Optik. Endet eine der Episoden, in die das Spiel unterteilt ist, sammeln wir durch Anklicken Erinnerungen an bestimmte Wörter, die eine besondere Bedeutung für die vorhergehende Episode hatten. Diese werden schließlich zwischen den Episoden nützlich: Denn dann erkunden wir das Café laufend in der Ego-Perspektive und interagieren mit besonderen Objekten – wie dem Laptop im oberen Stockwerk, der stehengelassenen Tasse Kaffee oder der Ladung Zementsäcke im Innenhof. Haben wir die passenden Erinnerungen, schalten wir dann kleine Storysegmente frei, die nicht mit Animationen und Bildern unterlegt sind, sondern als Fließtext dargestellt werden, die uns aber ein paar Momente abseits der Hauptstory miterleben lassen. Wie einen kurzen Dialog zwischen Kishan und Maddy, in dem Kishan darüber nachdenkt, was die Leute wohl über ihn auf seiner Beerdigung sagen. Maddy unterbricht ihn. Darüber sollte er nicht nachdenken. Er ist tot. „Funerals are for the living, my friend.“ Zwischen Hier und Dann
Okay, die Quote aus dem vorherigen Artikel hab ich auf Englisch gebracht, weil sie so besser klingt. Aber Necrobarista hat auch eine deutsche Textausgabe! Das gesprochene Wort gibt es hier nicht. Die deutsche Textausgabe ist aber gelungen und wirkt nicht wie frisch aus dem Hause Google Translate, nur ein paar Schnitzer haben sich bei mir eingeschlichen – ich habe allerdings größtenteils auf Englisch gespielt.
Was mich allerdings sofort an Necrobarista gefesselt hat, ist die Optik. Weniger die Umgebung, aber vielmehr die stark comichaft gezeichneten Figuren haben es mir wirklich angetan. Mit starken Anime-Vibes machen die Gesichtsaudrücke und Kamerawinkel einiges her und akzenturieren die Story gekonnt. Nur da gibt es dann eben auch ein paar Haken.Was mir ziemlich rasch gefehlt hat, ist ein Automatik-Modus. Jeden Textabschnitt müssen wir mit der Maustaste einzeln lostreten, obwohl wir in den Einstellungen sogar einstellen können, wie schnell sich der Text aufbaut. Ich hätte kein Problem damit gehabt, mich in Ruhe zurückzulehnen, und der Geschichte in Ruhe zu folgen – ohne immer wieder klicken zu müssen. Außerdem... ich weiß nicht. Ich kann meinen Finger nicht drauflegen. Aber an manchen Stellen fühlt sich Necrobarista... Lückenhaft an. Vielleicht überhastet? Als gäbe es Sprünge! Die Welt hat so vieles zu bieten, so viele kleine Storys, so viele Details die sich um eine wirklich, wirklich gute Idee drehen, aber ich hatte stets das Gefühl, dass irgendetwas knapp außerhalb meiner Reichweite bleibt. Auch die Storyschnippsel leiden an einem ähnlichen Problem, nur leicht anders – ab und an verpassen sie einfach den Absprung. Zwei, dreimal war ich überrascht, dass eine der Nebengeschichten einfach weitergeht, nachdem ich nach der perfekten Pointe, dem optimalen Ende, eigentlich einen Abschluss der Sidestory erwartet habe. Aber das ist dann eher eine Kleinigkeit. Die Pointen laufen mir deswegen ja nicht weg.
Pluspunkt, bevor wir zum Fazit übergehen: Die Musik. Composer Kevin Penkin hat einen wahnsinnigen, einen fabelhaften Job gemacht, die optische Note von Necrobarista perfekt in Töne einzufangen. Selbst wenn euch das Spiel scheinbar wenig gibt, lohnt es sich auf jeden Fall, in den entspannten, kick-back-y Soundtrack reinzuhören.

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