Frostpunk 2 - Test/Review
Heave lads, ho lads! Es wird kalt, es wird düster und es wird verzweifelt. Entwickler XYZ lässt die Fortsetzung seines erfolgreichen Citybuilders wie einen eisigen Sturm über uns hereinbrechen: Frostpunk 2.
Von Lars Hack am 12.11.2024 - 01:18 Uhr

Fakten

Plattformen

Xbox Series S

Xbox Series X

PlayStation 5

PC

Publisher

11 Bit Studios

Entwickler

11 Bit Studios

Release

20.09 2024

Genre

Strategie

Typ

Vollversion

Pegi

16

Webseite

Preis

59,90 Euro

Media (22)

Eiskalt erwischt


Heave lads, ho lads! Es wird kalt, es wird düster und es wird verzweifelt. Entwickler XYZ lässt die Fortsetzung seines erfolgreichen Citybuilders wie einen eisigen Sturm über uns hereinbrechen: Frostpunk 2. Einmal mehr streifen wir den Mantel der Führerschaft über, um eine verzweifelte Gemeinschaft fröstelnder Überlebender anzuleiten. Dieses Mal nur... Eine Spur größer.

Es kommt ein Sturm


Tun wir das, was unsere Bewohner in Frostpunk so gerne tun: Erinnern wir uns zurück. Allerdings nicht so weit, bis es warm wird. Nur bis zum ersten Teil. Die Erde ist langsam erfroren. Noch bevor wir ins 20. Jahrhundert eingetreten sind, begannen plötzlich die Temperaturen zu fallen. 10, 20, 30 Grad... In der lebensfeindlichen Temperatur gleichen auch die großen Städte der Welt eher wie einem toten Eisfeld. Die einzige Hoffnung der vorsichtig-vorausplanenden Bewohner Londons waren die Archen. Riesige Generatoren, wolkenkratzer-hoch, sollten kleine, leicht zu versorgende Enklaven von Überlebenden mit genügend Wärme versorgen, bis die Wolken sich lichten und die Sonne eines Tages das Eis schmelzen lässt. Wir waren der weise Anführer einer dieser Gruppen. Alles fing recht harmlos an - wir waren besorgt um unsere Überlebende. Und eines Tages mussten wir feststellen, dass wir im verzweifelten Kampf ums Überleben entweder eine brutale Diktatur oder einen ebenso brutalen Gottesstaat errichtet haben, der Dissidenten und Häretiker vor dem Generator hinrichtet/opfert. Das war der erste Teil. Frostpunkt 2 zeigt uns nun: Wir hatten Erfolg. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Neu-London, der strahlende Stern der Hoffnung, den wir errichtet haben, steht noch immer. Jahrzehnte sind verstrichen und aus der überschaubaren Siedlung ist eine fortschrittliche Stadt im Ödland geworden. Maschinen, Hitzetransfer, Gebäude, die an der Kluftwand emporwachsen. So weit, so gut. Allerdings hat sich die Sonne nach wie vor nicht gezeigt. Noch immer liegen die Temperaturen unter der -20°C-Marke. Und ein weiteres Unglück hat uns getroffen: Der Captain, dessen Rolle wir im ersten Teil innehatten, ist tot. Wir, als Steward, müssen das Ruder übernehmen. Aber während Neu-London bisher eine Autokratie war, unter der erleuchteten Führung des Captains, wollen mehr und mehr Neu-Londoner ihre Interessen geltend machen. Willkommen im neuen Zeitalter des Frostlands: Der Ära des Parlaments. Außer natürlich, wir festigen irgendwann unsere eigene Macht genügend...

Die Zukunft ist demokratisch - und kalt


In seinem ganz inneren Kern fordert Frostpunk 2 das Gleiche von uns, wie bereits sein Vorgänger: Führe die Kolonie an Überlebenden. Trotze der Kälte. Überlebe. Was sich allerdings ändert, ist die Art und Weise, wie wir es nun tun. Im ersten Teil hatten wir als Baugrund nur ein kreisförmiges Baumuster, ausgehend von unserem Generator in der Mitte. Wir haben Einzelschicksale entschieden, jedes Gebäude einzeln und fein säuberlich platziert, während wir immer wieder über den Rand unseres Kraters geschaut haben, um Ressourcen aus dem Ödland zu bergen. Dieses Mal gehen wir ein ganzes Stück größer die Herausforderungen an. Neu-London ist eine große Stadt inzwischen. Vorbei sind die Zeiten, in denen wir Micromanagement betrieben haben. Unser neuer Baugrund sind annährend wabenförmige Felder, die unsere Stadtgrenze bedecken - das frostige Ödland, oder treffend Frostland genannt. Bevor wir darauf bauen können, müssen wir das Eis aufbrechen. Das tun wir mit schweren Maschinen, die mit jedem Einsatz Ressourcen kosten (dazu gleich mehr) und gleich mehrere Felder aufbrechen. Platzieren wir dann Gebäuden, tun wir das als Distrikte. Ein Distrikt - ob es Wohngebäude sind, Nahrungsproduktion, Ressourcensammler oder Produktionsstätten - nimmt immer mehrere Felder ein. Die Platzierung auf diesen Feldern ist dabei strategisch wichtig! Wenn wir einen Ressourcensammler-Distrikt bauen, zum Beispiel um Kohle zu bergen, kann uns der Distrikt länger Kohle liefern, wenn wir mit der Distrikt-Platzierung mehr Vorkommen abdecken. Bauen wir hingegen Wohngebäude, ist es entscheidend, das entweder in windgeschützen Gegenden zu tun oder nahe an anderen Wohndistrikten. Nur so können wir ausreichend Wärme sicherstellen, selbst wenn der Generator in der Mitte der Stadt auf Hochtouren läuft. Natürlich gibt es auch wieder die Touren über die Stadtgrenzen hinaus. Haben wir einen Logistikdistrikt platziert, können wir Teams nach draußen ins Frostland schicken. Dort entdecken wir neue Einöden, treffen auf Events, wie neue Bewohner, die nur auf einen Platz in Neu-London warten, oder finden Ressourcenvorkommen. Diese können wir dann mit dem dauerhaften Einsatz von Erkundungsteams abbauen oder, wenn es sich wirklich lohnt, mit einer neuen Kolonie versehen, um unseren Einfluss langsam über das Frostland auszubreiten. Ressourcen sind dabei das, was unsere Stadt am Laufen hält - ob es materialistische Waren oder einfach Arbeiter sind. Zum Beispiel brauchen wir einen steten Nachschub an Brennstoff, wie Kohle oder Öl, um den Generator am Laufen zu halten. Aber selbst mit Brennstoff kann unser Generator nur eine bestimmte Menge an Hitze generieren. Da jedes Gebäude aber Anforderungen an Wärme hat, damit die Arbeiter nicht einfach erfrieren, müssen wir neben Brennstoff auch darauf achten. Dazu kommen Faktoren wie Materialien für den Gebäudebau oder Verbrauchsgegenstände, damit unsere anspruchsvollen Neu-Londoner ihren Lebensstandard halten können. Schließlich also noch Arbeitskraft. Diese ergibt sich als Anteil unserer Gesamtbevölkerung, zumindest jenen, die nicht krank sind. Gebäude haben per se eine bestimmte Menge an Arbeitern, die benötigt werden, um den Distrikt am Laufen zu halten. Im ersten Teil haben wir noch einzelne Arbeiter in Gebäuden platziert, jetzt können wir die Verfügbarkeit von Arbeitern an Schiebereglern einstellen. Arbeiten wir das Aufbrechen von Eislandschaften bindet hingegen nur temporär Arbeitskraft. Die große Neuerung ist allerdings das Parlament. Damals haben wir nur Hoffnung und Moral miteinander ausbalanciert. Neue Gesetze waren einfach unser Vorrecht als Captain. Heutzutage müssen wir uns mit dem Parlament herumschlagen, in dem die großen Parteien Neu-Londons ihre Stimme geltend machen wollen. Das sind zum Teil einfache Einwohner, mal auch die Fraktion des ersten Teils (Autoritäre oder Religiöse) oder neu entstehende Parteien im Laufe der Kampagne. Wollen wir heute neue Gesetze erlassen, müssen wir also erst die Zustimmung des Parlaments einholen. Jede Fraktion hat Sachen, die sie eher mag. Nur ein Beispiel: Kinder. Sollten diese der Schulpflicht unterliegen, was unsere Forschungsrate erhöht, aber auch unseren Zufluss an Währung reduziert? Oder sollten die kleinen Racker lieber neben ihren Eltern an der Werkbank schuften, wodurch unsere Arbeitskraft steigt. Wollen wir ein Gesetz erlassen, aber die Zustimmung ist niedrig, können wir versuchen, Parteien zu überzeugen. Dazu machen wir Versprechen, wie die Zusage, dass diese Fraktion das nächste Gesetz zur Abstimmung vorschlagen darf oder uns vorschreibt, was die nächste Forschung ist. Jede Fraktion hat einen Zufriedenheitswert, der bestimmt, wie bereit sie sind, unseren Ideen zuzustimmen. Natürlich folgen sie auch ihren eigenen Idealen, aber am Ende ist es Politik - jeder lässt sich irgendwie überzeugen, nicht?

Frostpunk zeigt uns nicht die kalte Schulter


Frostpunkt trägt seinen Teil absolut dazu bei, 2024 zu einem guten Jahr für Videospiele zu machen. Hier kommen viele gut funktionierende Komponenten zusammen. Ein Beispiel ist die Optik. Ob einfach nur grafisch oder die UI, die Menüs, es ist stimmig, ohne sich zu sehr auf dem ersten Teil auszuruhen. Wie das Spielprinzip wurde auch hier weitergedacht. Okay, ein kleiner Wermutstropfen ist, dass während die Menüs zwar verdammt schick aussehen, können sie auch schnell unübersichtlich werden. Und auch die Tutorials können für Neueinsteiger in die Frostlande etwas dürftig ausfallen. Das sind einfach die Punkte, in denen der Entwickler noch etwas Feinschliff und Polishing einbringen kann. Der Rest ist aber stimmig. Habe ich schon den Sound erwähnt? Von der ruhigen, aber vorantreibenden Musik, den Ankündigungen unserer Gesetze oder den Hinweis-Sounds, alles ist stimmig und gut aufeinander abgestimmt. Die neuen Mechaniken, die mit dem Sprung vom ersten zum zweiten Teil eingebracht wurden, fügen sich exzellent ins Spielgeschehen ein. Frostpunk war bereits in der Vergangenheit ein Spiel, das knackig schwer war und von unseren individuellen Entscheidungen gelebt hat. Wenn wir schlecht gewirtschaftet haben, mussten unsere Entscheidungen zwangsläufig drastischer ausfallen, um das Überleben zu sichern. Mit dem Parlament wird diese Tradition fortgesetzt, aber eben erweitert. Wir müssen uns über das politische Parkett bewegen, Versprechen machen und nicht nur zwei Werte, sondern ganze Fraktionen mit eigenen Vorlieben gegeneinander abwiegen. Das bringt eine ganz eigene Dimension in Hinsicht auf die Schwierigkeit des Spiels mit ein - nicht nur wir entscheiden, welcher Weg eingeschlagen wird, auch die Fraktionen wollen mitsprechen. Apropos Schwierigkeit: Vier Schwierigkeitsgrade stehen uns zur Verfügung. Diese bestimmen nicht nur, wie viele Ressourcen in Vorkommen verfügbar sind, sondern entscheiden auch, wie vergebend unsere Fraktionen sind oder wie hart die Temperatur nach unten schlägt und uns kalten Wind um die Nase weht. Wenn ihr also etwas ruhiger spielen wollt, sei euch das gestattet. Spieler, die eine Herausforderung suchen, kommen aber ebenfalls voll auf ihre Kosten.

Fazit & Wertung

Lars meint: Frostig kalt, aber absolut awesome!

Die Welt von Frostpunk mag eine kalte, tote Eislandschaft sein. Das Spiel an und für sich ist es allerdings nicht! Entwickler 11 Bit Studios hat sich die Frage gestellt: Wie können wir den ersten Teil weiterdenken? Und dann haben sie eine perfekte Antwort gefunden. Es war nur der nächste Schritt, dass unsere Community an Überlebenden immer weiter wächst und sich irgendwann von einem Königreich des Micromanagements zu einem wilden, lebendigen Hive entwickelt. Vorher ging es um das Überleben. Heute geht es um die Frage, wie ein Neu-Londoner leben will - und das Überleben. Dabei lebt das Spiel nicht nur von der großartigen Atmosphäre, in die uns das Spiel wirft… Selbst im Großen und Ganzen stellen wir uns harten Entscheidungen und den Schicksalen unserer Schützlinge. Aber das ganze sieht auch noch fantastisch aus, eine UI, die uns absolut reinzieht in die Frostlande. Und spätestens, wenn unsere Entscheidungen ausgerufen werden, sind wir vollkommen in Frostpunk 2 angekommen. Mit ein wenig mehr Polishing, etwas mehr Hilfe bei der Übersicht und dem Navigieren der Menüs, haben die Entwickler hier eine echte Perle des Städtebau-Sim-Genres geschaffen.

90%
Grafik
91
Sound
85
Bedienung
85
Spielspaß
93
Atmosphäre
96
Preis/Umfang
90
Richtig gut
  • fantastische Atmosphäre
  • viele Entscheidungs- und Individualisierungsmöglichkeiten
  • stimmige Kampagne
  • mehrere Schwierigkeitsgrade
  • optisch passend - UI und Spielwelt absolut stimmig
Verbesserungswürdig
  • Menüs zuweilen etwas unübersichtlich
  • Tutorials brauchen etwas mehr Pep für manche Systeme
Anforderungen
PC MINDESTANFORDERUNGEN:
• Betriebssystem: Windows 10/11 (64-bit)
• Prozessor: AMD Ryzen 5 1600 / Intel Core i5-8400
• Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
• Grafik: AMD RX 550 4 GB VRAM / NVIDIA GTX 1050Ti 4 GB VRAM / INTEL ARC A310 4GB VRAM
• DirectX: Version 12
• Speicherplatz: 30 GB verfügbarer Speicherplatz
• Zusätzliche Anmerkungen: SSD required.

• Microsoft Xbox Series X|S Konsole
• Sony PlayStation 5 Konsole
Getestet für
PC
Lars Hack Konnte Lars zuerst laufen oder den Controller einer SNES bedienen? Die Frage ist bis heute nicht sicher geklärt. Klar ist, dass er sein Herz seit damals an Videospiele verloren hat.

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