Lies of P - Test/Review
Was haben Pinocchio, Gepetto und Gemini mit From Software gemeinsam? Richtig! Eigentlich so gar nichts.
Von Timm Woita am 06.10.2023 - 07:31 Uhr

Fakten

Plattformen

Xbox Series S

Xbox Series X

PlayStation 5

PlayStation 4 Pro

Xbox One X

PlayStation 4

PC

Publisher

NEOWIZ

Entwickler

NEOWIZ

Release

19.09 2023

Genre

Action-Adventure

Typ

Vollversion

Pegi

16

Webseite

Preis

ab 59,99 Euro

Media (10)

Pinocchio meets Dark Souls


Was haben Pinocchio, Gepetto und Gemini mit From Software gemeinsam? Richtig! Eigentlich so gar nichts. Aber NeoWiz und Round8 Studios haben die Geschichte über die lügende Puppe und ihren Schöpfer in ein spannendes Spiel im Souls-like Territorium verwandelt und damit etwas wirklich Gutes daraus gemacht. Oder stimmt das gar nicht und ich lüge euch nur eiskalt ins Gesicht? Das werden wir im Laufe des Tests herausfinden.

Steampunk Fantasy Schlachtplatte


Der Anfang geht erstmal ganz gemächlich los. Wir wachen, von einer Stimme in unserem Kopf gerufen, in einem verwüsteten Zugabteil auf und bekommen vorerst keine wirklichen Informationen über die Geschichte. Wer Pinocchio noch kennt, wird sich an die Holzpuppe und ihre ständig wachsende Nase erinnern. In Lies of P sieht Pinocchio sehr nach einem Androiden aus, eher wie Robert Pattinson oder Harry Styles... Aber wir müssen uns ja auch mal in Bewegung setzen, wenn wir schon gerufen werden. Am Ende des Zugabteils dürfen wir uns dann noch eine von drei Startklassen aussuchen und schon geht es los mit dem wilden Gemetzel. Wir befinden uns zu Beginn im Hauptbahnhof von Krat. Zwischen den Zügen tummeln sich dann auch schon die ersten Puppen, welche eigentlich humanoide Roboter sind. Das Gegner-Design zeigt direkt, welchen Verwendungszweck diese Puppen eigentlich innehatten. Egal ob Schaffner oder vierbeiniger Vertrauter. Aber als wäre dieser "Puppen-Wahnsinn", der freundlichen Puppen in eiskalte Killer verwandelt, nicht schon genug, muss Krat sich auch noch mit einer Epidemie herumschlagen, der sogenannten Versteinerungskrankheit. Erstmal aber gar nicht so groß unser Problem, denn die Stimme im Kopf hat gesagt, wir sollen uns auf den Weg zum Hotel Krat machen. Und dieser Weg ist kein einfacher. Denn die Killerpuppen sind nicht nur zahlenmäßig überlegen, sondern können auch ordentlich zuhauen. Wie in einem Soulslike typisch geht es auch in Lies of P darum, gekonnt zu blocken oder die Schläge zu evaden und im richtigen Zeitfenster einen Gegenangriff zu starten. Die Angriffsmuster der einzelnen Gegner unterscheiden sich dabei stark voneinander und fordern den Spieler immer wieder aufs Neue heraus. Für Puppen typisch sind die Bewegungen eher “abgehackt”, sie wirken wirklich mechanisch und, da muss ich sagen, haben NeoWiz und Round8 echt abgeliefert. Die Kämpfe fühlen sich wirklich an, als ob man gegen mechanische Wesen kämpfen würde. Aber wir machen uns weiter auf den Weg zum Hotel Krat. Nachdem wir uns durch Horden von Puppen geschnetzelt haben, werden wir auch relativ schnell mit unserem ersten Boss konfrontiert. Und der zeigt einem direkt, wie hoch Lies of P die Fähigkeiten-Messlatte hängt. Der Parademeister ist eine riesige Puppe, welche die verschiedensten Angriffe auf Lager hat. Diese Angriffe können, wenn wir nicht vernünftig reagieren, innerhalb von Sekunden zu unserem Bildschirmtod führen und haben mich anfangs wirklich verzweifeln lassen. Denn die Bosse sind nicht gut geölt und bieten schnelle Kombinationen mit teilweise fünfteiligen Angriffsketten. Wenn ihr den Boss besiegt, kommt ihr endlich zum Hotel Krat und die Geschichte nimmt Fahrt auf. Die Story möchte ich aber nicht spoilern, denn diese empfand ich als sehr gut und spannend erzählt. Natürlich hat auch diese Geschichte einige Strecken, aber alles in allem liegt sie auf einem hohen Niveau, gerade im Verbund mit den ganzen Nebencharakteren, welche auch noch eigene Geschichten zu erzählen haben und weitere Informationen zu den Umständen der Situation liefern.

Dark Souls mit Fehlern im System


Kommen wir ab hier auf die verschiedenen Mechaniken zu sprechen. Nach jedem erfolgreichen Kampf verdienen wir Ergo. Ergo ist das universale Zahlmittel in Lies of P. Hierdurch leveln wir Pinocchio auf, kaufen Items und so weiter. Das Aufleveln passiert genretypisch in verschiedenen Kategorien. Vitalität stärkt die Lebenspunkte, Stärke erhöht die Ausdauer und so weiter. Am wichtigsten ist in meinen Augen mitunter die maximale Ladung, welche unser Gewicht beeinflusst. Denn im Laufe der Geschichte finden wir nicht nur neue Waffen, sondern auch verschiedene "Anbauteile", welche als Rüstung fungieren. Kommen wir als nächstes auf die Waffen zu sprechen, denn hier haben sich NeoWiz und Round8 etwas Besonderes einfallen lassen. Das Besondere an den normalen Waffen ist nämlich, dass sie eine Klinge besitzen und den Griff. Diese können wir voneinander trennen und somit verschiedene Waffen zusammenbauen. Ihr liebt die Feuerfähigkeit des Dolchs, wollt aber mehr Reichweite? Dann verbindet die Klinge doch einfach mit dem Griff der Booster-Glefe. Dadurch ändern sich neben, Reichweite, dem Angriffspattern und dem Gewicht, auch die Fabelkünste. Dies sind besonders starke Fähigkeiten der verschiedenen Waffen. Sowohl Klinge als auch Griff besitzen gesonderte Fähigkeiten, sei es ein mächtiger Hieb, der sich auch über die Zeit noch aufladen kann, oder eine wilde Schlagkombination. Die Fabelkünste können in vielen Kämpfen ein echter Gamechanger sein und lassen in Verbindung mit der Klingenmontage sehr starke Kombinationen zu. Neben den normalen Waffen können wir im Verlauf auch unsere Bossseelen gegen besondere Waffen beim NPC Alidoro eintauschen. Diese lassen sich nicht zerlegen und nur das Skaling des Griffs kann verändert werden. Da wir ein Android sind, hat Pinocchio aber noch eine andere Fähigkeit, nämlich seinen Legionswaffen-Arm. Dieser kann vom Erfinder Venigni zu allerlei nützlichen Waffen umfunktioniert werden, wie ein Flammenwerfer oder ein Schild. Den passenden Arm zu finden bleibt dem Spieler und seinem Spielstil überlassen. Die Optionen sind vielfältig. Insgesamt hat der Spieler die Wahl aus acht verschiedenen Legionswaffen. Diese Hilfe braucht man auch bei den verschiedenen Fraktionen, die Krat unsicher machen. Neben den Puppen gibt es aber noch überlebende Menschen, die sogenannten Stalker, mutierte Wesen, welche aus der Versteinerungskrankheit hervorgegangen sind und wahnsinnige Alchemisten, die eine Kombination aus Puppen und Menschen darstellen. Gerade die Abwechslung in den Kämpfen ist ein sehr großer Pluspunkt von Lies of P. Wie weiter oben bereits erwähnt, sind die Bewegungen der Puppen eher mechanischer Natur. Abgehackt, verzögert und schwer lesbar. Die Auseinandersetzungen mit den Stalkern, welche alle eigentlich Zwischenbosse sind, wirken dafür schneller, aber mindestens genauso unberechenbar, da die Stalker Angriffe blocken und evaden wie junge Götter. Die Monster sind dafür dann eher die wirklich wilde Fraktion. Ihre Angriffe sind ungestüm und lassen sich eigentlich am besten lesen. Die Alchemisten kommen den Stalkern am nächsten, evaden aber nicht. Warum ich das mit den Bewegungen anbringe?

Pinocchio hat Probleme


Weil ich als nächstes auf die in meinen Augen wichtigste Mechanik zu sprechen komme, wenn es um mittelgroße Gegner, Zwischenbosse und die derben Bosse geht. Denn Lies of P bietet den Überwältigbar-Zustand, welcher durch einen weißen Rahmen um die Lebensanzeige gezeigt wird. Ist der Rahmen zu sehen, müssen wir dem Gegner einen aufgeladenen schweren Angriff reindrücken und schon können wir einen kritischen Treffer landen. Dies passiert über ausgeteilten Schaden, aber viel schneller über den Schaden und das perfekte Blocken von Angriffen. Hier kommt aber nun ein großes Problem von Lies of P: Das Parryfenster ist nämlich gefühlt sehr klein. Im Gegensatz zu einem Sekiro fühlt es sich auch nicht besonders gut implementiert an. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Bewegungen der Gegner und ihre überaus hohe Aggressivität. Die meisten Probleme hatte ich wirklich bei den Puppen, welche durch die abgehackten, mechanischen Bewegungen eher ein spätes Timing brauchen. Aber selbst wenn wir die perfekten Parrys geschafft haben, ist der Zeitraum, in dem wir einen aufgeladenen Treffer landen können, sehr gering und die Aggressivität sorgt häufig dafür, dass wir einen Treffer kassieren, bevor wir überhaupt dazu kommen. Das hat sich bei Sekiro, welches für mich das Parry-lastigste Spiel ist, einfach besser, flüssiger und wesentlich durchdachter angefühlt. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir durch perfektes Parieren sogar die Waffe des Gegners zerstören können und dadurch Reichweite und Schaden massiv reduzieren können. Ein weiteres Problem, welches ich in Lies of P sehe, ist der massiv ansteigende Schwierigkeitsgrad. Denn spätestens ab Kapitel Fünf werden die Bosse extrem happig und jedes Angriffsmuster muss gelernt und verinnerlicht werden. Pariert man nicht richtig, kann es sein, dass Pinocchio in Sekunden in seine mechanischen Einzelteile zerlegt wird. Es gab einen Boss, für den ich knapp dreißig (!!!) Anläufe und ein Umskillen benötigte, bevor ich ihn mit Mühe und Not besiegt habe. Zwar kann man sich einen Geist rufen, dieser ist aber in den meisten Fällen nur Kanonenfutter und unsere Verbrauchsgüter endlich. Das sind aber eigentlich auch die größten Probleme, die Lies of P mit sich bringt. Das Design von Krat und den umgebenden Arealen sind alle extrem gut gelungen. Auch wenn der Großteil der Geschichte in Krat stattfindet, kann ich mich an dem Steampunk-Setting und der Dystopie nicht sattsehen. Das Spiel läuft auf dem PC auf maximalen Settings butterweich, die Animationen sind hervorragend und die Steuerung ist tiefgreifend und durchdacht. Auch die Gegnervielfalt und ihr Artdesign sind großartig und viele Souls-like Titel bieten weniger Auswahl an. Audiovisuell und von den spielerischen Mechaniken kann Lies of P zwar nicht mit einem From Software-Titel mithalten, bietet aber trotzdem die gewohnt happige Kost auf hohem Niveau an.
Natürlich empfehle ich jedem das Spielen mit einem Controller.

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