Glücksspiellizenz für Lootboxen und Gambling-Mechaniken: Wäre das der richtige Ansatz?
Heute reicht ein Klick und schon flimmern virtuelle Schatzkisten über den Bildschirm, deren Inhalte bunter kaum sein könnten.
Von Christoph Miklos am 08.07.2025 - 16:50 Uhr - Quelle: E-Mail

Fakten

Hersteller

Gamezoom.net

Release

Anfang 2000

Produkt

Gaming-Zubehör

Webseite

Heute reicht ein Klick und schon flimmern virtuelle Schatzkisten über den Bildschirm, deren Inhalte bunter kaum sein könnten. Ob glitzernde Kartenpäckchen, rotierende Glücksräder oder funkelnde Kisten voller Überraschungen, der digitale Nervenkitzel gehört längst zum Alltag moderner Videospiele.
Entwickler bejubeln diese Mechaniken als clevere Motivation, noch ein Match zu starten, während Kritiker darin ein riskantes Spiel mit der Sucht erkennen. Besonders Minderjährige geraten schnell ins Straucheln, wenn es um Ausgaben und Wahrscheinlichkeiten geht. Deshalb ist die Frage nach einer Regulierung keineswegs ein Nischenthema, sondern ein brandheißer Konflikt mit mächtig Sprengstoff.
Gaming wird zur Wundertüte und Lootboxen entfalten ihren Reiz
Lootboxen wirken harmlos auf den ersten Blick, schließlich leuchten sie hübsch, öffnen sich gegen ein paar Euro und liefern im besten Fall den virtuellen Superstar für das eigene Team. Hinter dieser freundlich verpackten Fassade steckt allerdings ein ausgeklügeltes System, das präzise auf menschliche Belohnungsmuster zugeschnitten ist. Für Geld erhält man eine digitale Kiste mit zufälligem Inhalt, der sowohl wertvolle als auch völlig nutzlose Gegenstände enthalten kann. Genau diese Ungewissheit macht den Reiz aus.
Das Prinzip ähnelt einem Loskauf auf dem Rummel, nur dass der Nervenkitzel jederzeit aus dem Kinderzimmer abrufbar ist. Besondere Animationen, aufpeitschende Sounds und knallige Effekte lösen bei vielen Spielern einen regelrechten Adrenalinschub aus. Das Belohnungssystem basiert auf variabler Verstärkung, die schon Glücksspielautomaten erfolgreich nutzen. Mal lockt der große Fang, mal ein kleiner Trostpreis, aber immer bleibt die Hoffnung, dass die nächste Kiste den ultimativen Treffer bringt.
Für Publisher bedeutet das vor allem klingelnde Kassen. Der Markt für solche Überraschungspakete floriert gewaltig, weil gerade jüngere Spieler oft keine gefestigte Impulskontrolle besitzen. Erwachsene halten gelegentlich noch inne, doch Kinder tippen meist ohne langes Nachdenken. Genau darin liegt die eigentliche Goldgrube dieses Modells.
Handelt es sich tatsächlich um Glücksspiel oder doch nur um geschicktes Marketing?
Die große Streitfrage lautet, ob diese Mechaniken juristisch als Glücksspiel gelten oder lediglich besonders aggressive Verkaufsstrategien darstellen. Nach deutschem Recht wird Glücksspiel definiert als der Einsatz eines Vermögenswerts, verbunden mit einem vom Zufall abhängigen Ergebnis und der Aussicht auf einen Gewinn.
Lootboxen erfüllen zumindest teilweise diese Kriterien, da Geld eingesetzt wird und der Ausgang nicht vorhersehbar ist. Allerdings erfolgt keine Auszahlung realer Gewinne, sondern nur ein digitaler Gegenwert ohne offiziellen Marktpreis.
Publisher verteidigen sich damit, dass keine Geldgewinne ausgeschüttet werden, also auch kein Glücksspiel vorliege. Dabei wird jedoch übersehen, dass viele Items einen enormen Sammlerwert erreichen und auf Plattformen außerhalb des Spiels teils für hohe Summen gehandelt werden. So entsteht das reale Risiko, dass investiertes Geld einfach verpufft, während der Traum vom großen Fang bestehen bleibt.
In Europa werden Lootboxen sehr unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte erkennen sie als Glücksspiel an, andere lehnen diese Einordnung ab, weil kein offizieller finanzieller Ertrag winkt. Unbestritten bleibt, dass wesentliche Elemente klassischer Glücksspielmodelle übernommen werden, nämlich Zufall und Geldeinsatz.
Glücksspielanbieter fühlen sich unfair behandelt während Games-Anbieter Kassen füllen
Glücksspielanbieter unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben, um Spieler vor exzessivem Verhalten zu schützen. Dazu gehören Sperrlisten, Werbebeschränkungen, maximale Einsatzhöhen und regelmäßige Kontrollen durch Behörden. Solche Vorgaben kosten Geld, weshalb Anbieter einer Online Spielothek zusätzlich noch Gebühren und Abgaben entrichten müssen. Ganz anders die Lage bei Games, denn hier dürfen Publisher ähnliche Mechaniken weitgehend unkontrolliert anbieten und millionenstarke Gewinne erzielen. Das sorgt bei klassischen Glücksspielanbietern für ordentlich Frust, weil dieselben psychologischen Kniffe genutzt werden, ohne vergleichbare Auflagen erfüllen zu müssen.
Während Publisher argumentieren, dass keine echten Geldgewinne ausgezahlt werden, fühlen sich Casinos unfair benachteiligt. Immerhin werden dieselben menschlichen Verhaltensmuster angesprochen, jedoch mit unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen. Ob eine Angleichung sinnvoll wäre, darüber wird heftig gestritten, denn beide Branchen wollen ihren Marktanteil verteidigen.
Von Jugendschutz bis zum Milliardengeschäft
Kinder und Jugendliche reagieren besonders stark auf solche Systeme, da ihr Belohnungszentrum wesentlich empfindlicher reagiert und langfristige Konsequenzen kaum bedacht werden. Deshalb können sie in kürzester Zeit hohe Summen ausgeben, ohne den Wert oder die Gewinnchancen richtig einschätzen zu können.
Viele beliebte Games wie FIFA oder Fortnite sind bereits für Zwölfjährige freigegeben, obwohl sie Mechaniken enthalten, die stark an Glücksspiele erinnern. Im Gegensatz dazu hat Grand Theft Auto V eine Altersfreigabe ab 18 Jahren, weil ein Casino darin eine tragende Rolle spielt.
Neuerdings hat die USK diese Mechaniken mehr berücksichtigt, denn zuvor das öffnete dies Tür und Tor für Publisher, die an jungen Kunden verdienen möchten. Zwar existieren Jugendschutzfilter, Kauf-Limits oder Sperrfunktionen, doch werden diese oft ignoriert oder umgangen. Damit liegt die Verantwortung nicht nur bei den Entwicklern, sondern auch bei Plattformen und Erziehungsberechtigten sowie Behörden, die ein Auge auf diese Mechanismen werfen sollten.
Soll die Gemeinsame Glücksspielbehörde künftig auch Lootboxen beaufsichtigen?
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder gilt in Deutschland als oberste Instanz für alles, was online mit Zufall und Geld zu tun hat. Online-Casinos oder Wettanbieter müssen sich ihrer strengen Aufsicht unterwerfen und regelmäßige Kontrollen über sich ergehen lassen.
Es stellt sich die Frage, ob diese Behörde auch Lootboxen prüfen sollte, sofern diese als Glücksspiel eingestuft werden. Eine Lizenzpflicht wäre denkbar, wenn Gerichte klare Kriterien für virtuelle Gewinne formulieren würden. Doch wie soll der Wert digitaler Gegenstände bewertet werden, die offiziell nicht handelbar sind?
Außerdem wäre eine internationale Kontrolle nahezu unmöglich, weil Publisher weltweit agieren und sich in anderen Ländern niederlassen können. Die GGL müsste erhebliche Ressourcen aufbauen, um Verstöße wirksam zu verfolgen.
Ein Flickenteppich in Europa zeigt völlig unterschiedliche Ansätze
Nicht nur in Deutschland wird über Lootboxen diskutiert. Belgien hat sie bereits als Glücksspiel klassifiziert und verboten, während die Niederlande strengere Regeln erlassen haben. Großbritannien ringt ebenfalls um eine Lösung. Andere Länder bleiben noch zögerlich, weil virtuelle Gegenstände schwer in einen rechtlichen Rahmen zu pressen sind. Jeder Mitgliedsstaat legt andere Maßstäbe an, etwa ob ein digitaler Gegenstand überhaupt einen „Wert“ darstellt oder wie hoch die Gewinnwahrscheinlichkeit sein muss, um Glücksspielgesetze zu greifen.
Mehr Transparenz oder gleich ein Verbot?
Die Frage nach der Zukunft von digitalen Glücksspielmechaniken wirft viele Ideen auf. Einige fordern, dass Wahrscheinlichkeiten für Gewinne verpflichtend angezeigt werden, damit niemand blind sein Geld versenkt. Andere wünschen Kauf-Limits oder verpflichtende Altersverifikationen, um jüngere Spieler zu schützen.
Wieder andere möchten Lootboxen komplett verbieten, damit Spielsucht im Keim erstickt wird. Ein solches Verbot hätte jedoch Konsequenzen für die Industrie, die ihre Milliardengewinne gefährdet sieht und im Zweifel in andere Länder abwandern würde. Auch illegale Märkte könnten durch ein pauschales Verbot neuen Auftrieb bekommen, was den Jugendschutz am Ende sogar schwächen könnte.
Christoph Miklos ist nicht nur der „Papa“ von Game-/Hardwarezoom, sondern seit 1998 Technik- und Spiele-Journalist. In seiner Freizeit liest er DC-Comics (BATMAN!), spielt leidenschaftlich gerne World of Warcraft und schaut gerne Star Trek Serien.

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