Dragon Age: Inquisition - Test/Review
Nach dem Mass-Effect-3-Debakel und dem unzufriedenen Gemurre der Fangemeinde nach Dragon Age 2 begann man sich, als Rollenspielliebhaber, langsam Sorgen zu machen.
Von Dominik Figl am 23.11.2014 - 19:57 Uhr

Fakten

Plattformen

PlayStation 4

Xbox One

Xbox 360

PlayStation 3

PC

Publisher

Electronic Arts

Entwickler

BioWare

Release

20.11 2014

Genre

Rollenspiel

Typ

Vollversion

Pegi

18+

Webseite

Preis

ab 59,90 Euro

Media (73)

The Boys are Back in Town!

Nach dem Mass-Effect-3-Debakel und dem unzufriedenen Gemurre der Fangemeinde nach Dragon Age 2 begann man sich, als Rollenspielliebhaber, langsam Sorgen zu machen. Hat EA einen negativen Einfluss auf unsere einstigen Helden? Große Versprechen stehen ja sowieso immer an der Tagesordnung. Eine Welt so groß und frei wie die von Skyrim, Charaktere, so greifbar, als würden sie neben einem stehen! Mehr Action und zugleich doch back to the roots! Die Fehler der Vergangenheit sollten ausgebügelt werden und gleichzeitig wollte man Origins noch übertreffen! - Und eigentlich machen die Jungs von BioWare das gar nicht schlecht. Wie viel ihr aber wirklich von der Inquisition erwarten könnt - Das erfahrt ihr im Test!
Aus der Asche!
Die Welt von Dragon Age war immer schon rau und düster, aber nie zuvor sah es so grausig um sie aus. Der Konflikt zwischen Templern und Magiern ist mit Dragon Age 2 vollends eskaliert, die Kirche hat die Lage längst nicht mehr im Griff und der Adel treibt sein gefährliches Spiel auf dem Buckel der sowieso schon im Dreck liegenden Bevölkerung und zu allem Überfluss reißt nun auch noch der Himmel auf, spuckt Dämonen aus und tötet die Göttliche, zusammen mit ihren engsten Anhängern und den Vertretern der verschiedenen Riegen. Die Welt stürzt ins Chaos und niemand kann sie jetzt noch retten. Niemand? Falsch. Ihr könnt es! Denn wo alle anderen Anführer, ja, selbst die Göttliche, ihr Ende fand, überlebt bloß eine Person. Ihr! BioWare liebt große Geschichten, große Helden und große Dramen. Zu jenen Punkten kann man nun noch einen weiteren hinzufügen, denn offensichtlich liebt BioWare auch riesige Welten. Die Geschichte, durch die wir geführt werden, ist packend inszeniert. Die Videosequenzen sind ein Traum, während ihr durch die Welt torkelt und versucht euch zurecht zu finden, werdet ihr Freunde finden. Ihr werdet herrschen und ihr werdet helfen. Wir werden durch offizielle Anlässe gelotst und lernen die Gepflogenheiten des Adels kennen. Wir werden etwas aufbauen, und wir werden zusehen, wie es zerschmettert wird. Wir werden niedergedrückt und wir werden wieder aufstehen. Mit anderen Worten: Ihr werdet lachen, ihr werdet weinen, ihr werdet forschen und entsetzt aufschreien. Der große Pluspunkt eines jeden BioWare Spieles: die großartige, packende Hauptgeschichte, ist also auch hier wieder gegeben, die Videos und Gespräche sehen noch besser aus als zuvor, und werden euch noch öfter zum Schmunzeln und Staunen bringen, doch dem gesellt sich nun noch ein weiterer Faktor hinzu: Nebenquests! Denn wo früher lediglich die Quests für eure Begleiter wirklich interessant waren, nehmen nun auch einige gewöhnliche Nebenstränge das Ausmaß einer kleinen Hauptgeschichte an. Während andere dann doch eher MMO-mäßiges Beiwerk sind.

Aber zuerst...
...fangen wir mal klein an, denn vor jedem Abenteuer gilt es erst eine Rasse zu wählen. Neben Zwergen, Menschen und Elfen stehen uns nun auch die Qunari aus dem Vorgänger zur Verfügung. Mann oder Frau, und schließlich die Klasse: Magier, Krieger oder Schurke stehen zur Verfügung. Den Krieger bauen wir zum Zweihandkrieger oder geben ihm einen Schild in die
Hand, als Magier stehen uns Feuer, Eis und Blitz zur Verfügung - und die klassische Heilmagie. Echte Heilung gibt es aber nicht mehr, stattdessen gibt es nun Tränke und Barrieren, letztere wirkt unser Magier. Als Schurke spielen wir den gewagten Schleicher mit zwei Messerchen, oder wagen uns mit Armbrust oder Bogen hinaus in die Welt. Alles recht klassisch also. Bis hierher. Mit Level 10 bekommt jeder Charakter noch einen weiteren Skilltree, der seinem Rang entspricht. Wir bekommen lediglich den Inquisitor, der uns eine mächtige Fokusattacke gewährt. Unsere Kameraden erhalten richtige Bäume. Cassandra wird zur Templerin, Sera schluckt Zaubertränke und der Bulle wird zum Beserker. Das ist alles nett, aber die Welt ist es nicht. Ab einem gewissen Punkt haben wir auch die Möglichkeit uns noch eine Spezialisierung auszusuchen, das ist dann quasi der fünfte Baum für unseren Helden. Gleich vorweg: die Blutmagie, um die man sich in den Vorgängerteilen geprügelt hat, gibt es allerdings nicht mehr. Dafür hat man nun Nekromantie.
Auch wenn das Skillsystem weniger anziehend wirkt, ist der Charaktereditor umso schöner. Zwar können wir wieder nicht an der Form unserer Figur herumbasteln, dafür doktorn wir aber fleißig am Gesicht herum. Ob wir ihm, oder ihr, nun Fischaugen geben wollen, sie winzig schmal machen wollen, ein Doppelkinn bevorzugen, oder ein kleines Mannweib mit gebrochener Nase kreieren wollen – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt und das ist ja tatsächlich gut so. Die Möglichkeit viel Zeit in einen Charakter, Marke Eigenkreation, zu stecken ist also gegeben und wer darauf keine Lust hat, kann aus einer kleinen Vorauswahl von hübschen Figürchen wählen. Auch nicht schlecht! Vorsicht ist dennoch geboten. Manche Mimik der Figur wirkt in Videosequenzen ein wenig seltsam, wenn man sich zu weit von der Norm entfernt.
Zeit zu herrschen!
Ihr beherrscht die Himmelsfeste als Ìnquisitor, und somit kommt es gelegentlich auch vor, dass ihr euch um die Rechtsprechung zu kümmern habt. Meist handelt es sich dabei um Feinde aus Nebenmissionen, Rädelsführer, Kommandanten oder einfach Menschen, die etwas falsch gemacht haben. Das Urteil, das gesprochen wird, obliegt euch, und bietet euch teilweise enorme Maßnahmen. Ihr wollt den Magier nicht einsperren oder töten? Wie wäre es mit Besänftigung - dem Magier-Gegenstück zur Lobotomie? Natürlich verurteilen eure Gefährten solche Maßnahmen,
aber dennoch: Es obliegt euch. Euch allein. Eine weitere Neuerung bietet der Kriegsrat. Eure drei Hauptberater werden dabei auf Missionen geschickt, die in Echtzeit ablaufen. Geht ihr irgendwo Geld beschaffen, holt ihr Ressourcen, befriedigt ihr eine Region, oder schaltet ihr lediglich ein weiteres Gebiet frei, das ihr dann erkunden könnt? Die Dauer der Handlungen reicht dabei von ein paar Minuten bis zu mehreren Stunden und gibt euch in den meisten Fällen lediglich einen Bericht und eine kleine Belohnung. Es ist eine nette Spielerei und macht Spaß, aber grundsätzlich hätte man damit wirklich mehr machen können, als ein bloßes Gimmick zur Ressourcenbeschaffung. Einige der Erkundungen kosten euch übrigens Macht. Die bekommt ihr, indem ihr Gegenden erkundet, Risse schließt oder Quests erfüllt. Eine recht hübsche Art, euren Fortschritt zu blockieren, was grundsätzlich ja sogar wichtig ist, da ihr bestimmte Storygebiete erst ab einem gewissen Level betreten solltet. Dennoch wirkt es manchmal dann doch ein wenig zäh.
Überwältigend groß...
...ist die Welt. Man bewegt sich auf zwei Kontinenten. Ferelden und Orlais. Und während wir Ferelden ja kennen, ist Orlais dem Frankreich des europäischen Mittelalters entnommen. Die Figuren sprechen sogar französisch! Kein Wunder, dass es mit denen häufiger Probleme gibt. Anders als im direkten Vorgänger, bewegt ihr euch nicht mehr lediglich durch enge Gassen und schlauchförmige Dungeons, sondern wählt nun ein Gebiet aus, und erkundet dieses dann. Die Gebiete sind riesig und strotzen bloß so vor Hintergrundgeschichte und Quests, die ihr erledigen könnt! Dungeons, Ruinen, kleine Dörfer, überall werden wir empfangen, mal besser, mal weniger gut. Es gibt Festungen zu erobern, und für die Inquisition zu beanspruchen und Gegenden zu erkunden, die euch das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Trotz der überwältigenden Größe, wird es nur selten langweilig, die grundverschiedenen Gegenden zu erkunden. Ob Wüste, malerisches Hinterland oder karge, nebelige Küstengegend, nie werdet ihr euch gezwungen fühlen, irgendwo hin zu laufen – ihr werdet immer dazu verleitet euch die traumhaften, detailreichen Gegenden anzusehen und das ist tatsächlich ein Gefühl, das wir seit Skyrim nicht mehr hatten. Was wir in Skyrim allerdings hatten, waren Städte. Zwar haben wir hier unsere Himmelsfeste, doch der eigentliche Dreh- und Angelpunkt des politischen Spiels in der Welt von Dragon Age, Val Royeaux, ist grausig leer und empfängt uns mit gefühlten zwei Straßen und acht Händlern. Ein kleiner Schandfleck auf der sonst so traumhaften Weltkarte.
Pippi Langstrumpf und der Zwerg
BioWares größte Stärke, neben den epischen Geschichten, sind eure Gefährten. Jede Figur, die ihr für eure Inquisition anheuert, hat Hand und Fuß. Ob es nun die murrige Sucherin Cassandra ist, oder der strenge Qunari, der Mut und Kameradschaftlichkeit über alles andere stellt. Sie haben alle ihre Stärken und Schwächen, ihre Eigenheiten und vor allem, ihre eigenen Ziele. Wie gewohnt, werdet ihr auch hier wieder zwischen den einzelnen Etappen der Geschichte, eure Anhänger abgrasen und mit ihnen reden und eure Beziehung zu ihnen verbessern. Bei der Vielzahl an Leuten die ihr anwerbt, kann das sogar ein wenig schlauchen, vor allem, da sie alle einen so grundverschiedenen Charakter haben, dass es gar nicht möglich ist, dass ihr mit allen zurechtkommt. Manche werdet ihr einfach für ihre festgefahrene, engstirnige Meinung verdammen, während ihr mit Anderen sofort warm werdet und sie abrupt ins Herz schließt. Allen voran Sera. Die quirlige Elfe ist eine Mischung aus Harley Quinn und Pippi Langstrumpf, mit einem Gesicht, mit dem man Geister verjagen kann! Jede ihrer Handlungen wirkt willkürlich, egal ob sie den Wachen die Hosen klaut, oder den Namen des Erzbösewichts verunglimpft, indem sie ihm ein –Penis an den Namen pappt. Ja. Ihr Charme wirkt frivol und pubertär, aber man muss sie einfach gern haben, vor allem, weil sie uns immer wieder, egal ob unterwegs, im kleinen Dialog mit Cassandra oder dem Bullen, oder im Lager, zum Lachen bringt.
Das Spiel mit der Liebe
Im Laufe der Zeit, werdet ihr euch zu einem Charakter, vielleicht auch zu zwei oder drei Figuren, etwas mehr hingezogen fühlen, als zu anderen. Keine Sorge. Das ist normal! Und genau das versucht BioWare wohl durch die legeren Romantik-Szenen auszudrücken. Sex ist kein Tabuthema und genau so wird es in Dragon Age: Inquisition auch behandelt. Ob ihr euch mit eurer Lieblingselfe übers Bett rollt und dabei über Cullen lacht, oder eben jenem helft seine Albträume zu bewältigen, die er womöglich hat, weil er euch mit dem Bullen gesehen hat - als die gesamte Mannschaft mitten ins Liebesspiel reingehampelt ist, nichts davon wirkt, als wäre es eine große Sache. Es ist schlicht, es ist einfach und es ist Großteils einfach verdammt witzig inszeniert und damit also auch eine gesonderte Erwähnung wert.
Ein halbes Jahr mehr, vielleicht...
Genug geschwärmt! Denn Dragon Age: Inquisition hat neben der traumhaft großen Welt, einer Story zum eintauchen und Charakteren, die ihr am Liebsten aus dem Bildschirm ziehen wollt, auch einige gröbere Schwächen. Angefangen mit dem Taktikmodus, der nun, nachdem er im
zweiten Teil nicht wirklich da war, endlich wieder hier ist. Während er in Teil 1 aber wirklich gut umgesetzt war, ist er hier nun die reinste Qual. Der Taktikmodus aktiviert sich von selbst, sobald ihr weiter rausscrollt, also könnt ihr eure Umgebung nie wirklich vollends um Auge behalten - und selbst im Taktikmodus selbst, könnt ihr sie nicht wirklich weit wegbewegen, was dazu führt, dass ihr nie alle Gegner auf einmal im Bild habt. Wenn ihr die Figuren wechselt, springt euer Sichtfeld auch sofort auf den ausgewählten Charakter, was taktische Kämpfe auf Distanz, oder sogar nur das bloße Anwählen eines einfachen Ziels, zu einem nervigen Hin und Her macht. Die KI eurer Gefährten ist dabei selten besser. Eure Schurken schaffen es nur selten, sich hinter den Gegner zu bewegen, eure Magier halten kein Distanz und der Erbauer behüte uns, wenn ein Gegner mal ein wenig größer ist – dann finden sie den Weg erst gar nicht. Die Wegfindung selbst ist ebenfalls teilweise etwas lächerlich. Nicht nur einmal kam es vor, dass wir mit einem Mal alleine in einer Gegnerhorde standen, weil die Gefährten meinten, dass sie das winzige Loch in der Wand als Weg nutzen sollten - und sich dann gewundert haben, dass sie nicht durch kommen. Ehrlich? Muss das sein? Interessante Lore-Orte werden so zu nervtötenden Alleingängen umgemodelt. Zwergische Kultur? Steinerne Stufen? Bitte nicht! Von gelegentlichen Spielabstürzen will man gar nicht anfangen. Ein Glück also, dass das Spiel sowieso an jeder Ecke zwischenspeichert – und das sogar unbemerkt, also keine Sorge.
Außerdem gibt es keine Fähigkeiten und Talente, die nicht mit dem Kampf verbunden sind. Überredungskunst, oder eher Zusatzoptionen in Gesprächen, werden über den Inquisitionsbonus freigeschaltet. Schlösser knacken kann einfach jeder Schurke, Türen eintreten, jeder Krieger, und jeder Magier entfernt Barrieren. Es ist schade, dass das nicht über ein übliches RPG-System geregelt ist und wirkt dadurch ein wenig versimpelt. Genauso die Tatsache, dass man nicht mehr heilen kann, sondern eben einfach ein paar Tränke hat, die sich an Lagern immer wieder auffüllen. Zusätzlich dazu, haben eure Entscheidungen zumeist keinen direkten Einfluss auf die Geschichte. Zwar verändert ihr das absolute Ende, nicht aber den Lauf, den das Spiel nimmt – und das ist ebenfalls ein wenig schade. All das ist nicht schlimm genug um das Spiel im Ganzen runter zu ziehen, jedoch sind es Punkte, die man auch hätte vermeiden könnte, immerhin stechen sie einem ungemein unangenehm ins Auge. Der Taktikmodus aus Teil 1 war gut und hat funktioniert und erzwingt somit den Vergleich – den Inquisition zumindest hierauf bezogen, nicht bestehen kann.
Allein – oder mit Freunden!
Der Multiplayer von Dragon Age: Inquisition ist dabei jedoch kaum einer weiteren Erwähnung wert. Ihr erstellt euch einen Charakter, schaltet Klassen durch das Finden von Items frei und steigt im Level, indem ihr mit drei weiteren Personen, durch kleine Dungeons irrt. Bisher kamen uns die Server nicht unbedingt stabil vor, meist war eine leichte Verzögerung spürbar, außerdem kann man die Kisten, die man sonst für das in den Dungeons gefundene Gold kaufen könnte, auch für Echtgeld kaufen – was einem natürlich auf gewisse Art hilft, in der Rangliste schneller aufzusteigen. Bestimmt macht es Spaß, mit drei Freunden, komplett neue Figuren anzufangen und durch die kleinen Dungeons zu huschen, aber wirklich weltbewegend ist das nun nicht. Ein hübsches Feature, ja, aber der Echtgeld-Shop zieht das Ganze etwas runter.

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